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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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schnell.
    Â»Schweinekerl!«, schrie Kira in ihrem Kopf. »Schweinescheißkerl!«
    Das genügte. Ein Adrenalinstoß riss sie aus ihrer Lähmung. Sie trat zu und traf mit ihrer Ferse seinen Fuß. Es konnte ihm nicht richtig wehgetan haben, aber vor Überraschung verlor er für ein paar kostbare Sekunden das Gleichgewicht. Der Druck auf Anitas Brustkorb lockerte sich, sehr kurz nur, aber lang genug, dass ihre brennende Lunge Luft einsaugen konnte. Die Sterne erloschen, die Schwärze wich. Ihre Kraft kehrte zurück.

    Mit einem Ruck gelang es ihr, sich loszureißen und sich unter seinem Bauch herauszuwinden. Mit den Fingernägeln fuhr sie ihm ins Gesicht, zielte dabei auf seine Augen, und da die seit Tagen ungeschnitten waren, kratzte sie seine mit Kudublut verkrustete Haut von den Augenwinkeln bis zum Kinn auf. Sofort zogen sich rote Blutspuren über die Hamsterbacken. Er warf in einer Reflexbewegung heulend die Hände vors Gesicht und schmierte sich das Blut in die Augen. Sie nutzte die Situation, um ihm mit all ihrer Kraft den Fuß zwischen die Beine zu rammen.
    Dieses Mal traf sie. Mitten ins Weiche. Len Pienaar klappte vornüber, worauf sie ihn ansprang und ein Trommelfeuer von Faustschlägen auf ihn niederregnen ließ. Keiner der Schläge verletzte ihn, dazu war sie bei Weitem nicht kräftig genug, aber sie hatten die Wirkung eines Wespenangriffs. Der Bure musste sich auf allen Fronten gleichzeitig verteidigen. Praktisch geblendet, schlug er ziellos um sich. Manchmal traf er Anita tatsächlich, aber ihr Schmerzempfinden war ausgeschaltet. Sie machte einfach weiter.
    Während des Gerangels hatte sich einer von Pienaars Schnürsenkeln gelöst. Er verhakte sich mit dem anderen Fuß darin, stolperte, fiel aus der halb offen stehenden Tür auf den Vorplatz, fing sich wieder und krachte dann gegen das nicht abgeschlossene Tor zum Hof. Es flog auf. Der treibende Regen zerhämmerte die Oberfläche des Blutsees, in dem noch der restliche Kadaver des Kudus lag, der im grellen Scheinwerferlicht rot glitzerte.
    Der Bure rutschte mit ausgebreiteten Armen auf dem Bauch über den Splitterteppich, bis er in der Mitte des Hofes wie ein gestrandeter Wal in einem Blutmeer liegen blieb.
    Anita starrte ihn an. Instinktiv scheute sie davor zurück, einen am Boden Liegenden zu treten. Dann aber sah sie an der Peripherie ihres Gesichtskreises den Griff von Pienaars Pistole im Scheinwerferkegel schimmern. Sie rührte sich nicht, starrte die schwere Waffe, die dicht an der Wand lag, nur an, als wäre es
eine Giftschlange. Ein Grunzen ließ ihren Blick zu Pienaar springen.
    Der Bure machte Anstalten, sich aufzurappeln, und sein Mienenspiel drückte schiere Mordlust aus. Das endlich katapultierte sie aus ihrer Erstarrung. Sie machte einen Satz, hob die mit Tierblut verschmierte Waffe mit beiden Händen auf und richtete sie, Hände weit vorgestreckt, Knie instinktiv leicht gebogen, auf Pienaar. Sie tat es für Kira und für die Mädchen aus Simbabwe. Und für sich selbst.
    Sie legte den rechten Zeigefinger fest auf den Abzug und gab sich selbst schweigend die Anweisung, bei der geringsten Angriffsbewegung auf den Fettwanst zu schießen. Ohne zu zögern. Auf den Körper. Der bot die größte Zielfläche. Sie traute sich nicht zu, ihm die Kniescheibe wegzuschießen, wie die Polizisten in amerikanischen Krimis es taten, um den Kriminellen bewegungsunfähig zu machen. Nicht für eine Sekunde dachte sie daran, dass sie eine Waffe auf einen Menschen richtete, machte sie sich klar, dass sie ihn töten könnte.
    Alles, woran sie dachte, waren die Kinder. Irgendwie musste sie jetzt dafür sorgen, dass sie in Sicherheit kamen. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, wie es ihnen im Augenblick erging, wo sie sich befanden. War der Partner von Usathane tatsächlich aufgekreuzt? Hatte er sie schon gefunden, in einen Transporter geladen und war mit ihnen weggefahren? Nach Kapstadt? Oder Mosambik? Ihre Gedanken sprangen hierhin und dorthin, und ihr Finger am Abzugshahn krampfte sich kurz zusammen. Vielleicht waren die Mädchen entkommen, in alle Himmelsrichtungen weggelaufen, mitten in der Nacht. Dieser Gedanke wiederum löste eine Flut von Bildern aus.
    Kleine Mädchen, die nachts durch den Busch stolperten, gegen den elektrischen Zaun liefen und bewusstlos liegen blieben, ein Kind, das mit dem Fuß in ein Warzenschweinloch geriet und

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