Jenseits von Timbuktu
sich das Bein brach. Eines, das auf eine Schlange trat. Kira, die
gar nicht richtig laufen konnte, hilflos und allein im Busch. Im Stockdunkeln.
Ihr brach der Schweià aus und lief ihr in die Augen, wo er so brannte, dass sie heftig blinzeln musste. Sie nahm die linke Hand von der Pistole und wischte sich die Tropfen weg. Ihre Hand bebte dabei, und das sah Pienaar, der Kommandant einer Elite-Polizeieinheit, Mörder vieler Menschen, trainiert in den gemeinsten Techniken. Er nutzte die Gelegenheit, um aufzuspringen und sich auf sie zu werfen.
Aber Anitas Gehirn funktionierte jetzt auf Stammhirnebene, mit automatischer Schnelligkeit und Präzision. Sie zog den Abzug durch. Die Explosion war ohrenbetäubend, buchstäblich, und der Rückschlag schlug ihr die Pistole gegen den Kopf. Sterne tanzten ihr vor den Augen, und alles, was sie hören konnte, war ein hohes Pfeifen, das alle anderen Geräusche übertönte, selbst das stetige Rauschen des Regens.
Die Kugel hatte Pienaars Bauchdecke durchschlagen, aber er starb nicht sofort. Schrille Schreie ausstoÃend, fiel er erst gegen die Wand, grabbelte mit seinen Fingern über die Steine in dem vergeblichen Versuch, sich abzustützen, und brach dann schlieÃlich auf dem Boden zusammen, wo er bewusstlos im Kudublut liegen blieb.
Das Pfeifen wurde leiser, und Anitas Sicht klärte sich wieder. Als sie hochsah, wurde sie mit drei Paar glühenden Raubtieraugen konfrontiert und geriet sekundenlang in eine irrwitzige Panik, weil sie glaubte, die Löwen seien ausgebrochen und stünden unmittelbar vor ihr. Erst die glänzenden Metallstäbe erinnerten sie daran, dass die Löwen sich sicher hinter Gittern befanden. Dann sah sie Pienaar.
Er lag an der Wand auf dem Betonboden. Ein sich träge ausbreitender Blutfleck auf seinem Bauch bestätigte ihr, dass sie ihn tatsächlich getroffen hatte. Wie versteinert hielt sie noch immer die schwere Waffe mit beiden Händen gepackt und zielte auf die
Mitte seines Körpers. Er bewegte sich nicht, aber er atmete noch. Offenbar hatte er versucht, sich abzufangen, denn ein breiter Blutstreifen lief die Wand hoch. Er endete am Schalter für das Tor, durch das man zu den Raubkatzen gelangen konnte. Anfänglich registrierte sie gar nicht, dass Pienaar den Schalter tatsächlich getroffen hatte. Erst als ein metallisches Surren, eine Art lautes Schurren, in ihr Bewusstsein drang, blickte sie in Richtung des Geräuschs. Und erstarrte.
Das Gehegetor lief auf Führungsrollen langsam zurück, blieb aber nach etwa fünf Zentimetern stecken. Die starren, gelben Augen einer Löwin fixierten sie durch den Spalt und folgten jeder ihrer Bewegungen. Eine Gänsehaut nach der anderen jagte Anita über den Rücken. Ihr Impuls, hinzurennen und den Schalter herunterzudrücken, konnte sie nicht in die Tat umsetzen. Sie war wie eingefroren.
Die Freiheit unmittelbar vor sich, bohrte die Raubkatze eine gewaltige Tatze in die entstandene Lücke, hakte eine Kralle hinter die Metallstäbe und zerrte voller Kraft daran. Anita glaubte sich einem Herzinfarkt nahe. Sie stand da und konnte kein Glied rühren.
Und die Zeit raste.
22
J ill schwieg schon eine ganze Weile und sah abwesend den Scheibenwischern zu, die die herabstürzenden Regenmengen kaum noch schafften. Platsch, platsch sausten sie hin und her und schaufelten die vom Himmel fallenden Wassermassen von einer zur anderen Seite. Sie folgte ihnen mit den Augen, während ihre Gedanken unaufhörlich nur darum kreisten, was sie auf Lias Farm erwartete.
»Wir sollten noch einmal mit Lia reden«, sagte sie leise.
Nils lachte trocken auf. »Glaubst du wirklich, dass sie plötzlich einsichtiger wird? Die nimmt doch ihre Flinte und ballert los! Ohne vorher zu fragen, weswegen wir gekommen sind â¦Â« Ein riesiger Schatten tauchte im Regennebel auf der StraÃe vor ihnen auf. »Verflucht!«, brüllte Nils.
Es war ein ein umgekippter Baumstamm, der über die linke Hälfte der Fahrbahn ragte. Seine freigespülten Wurzeln hingen in der Luft.
Reaktionsschnell riss Nils das Steuer nach rechts. Seine Passagiere wurden herumgeschleudert, aber es gelang ihm gerade noch, dem Hindernis auszuweichen. »Ich hasse Regen«, murmelte er.
»Das heiÃt, wir betreten Lias Farm ohne ihre Erlaubnis«, sagte Jill. »Was passiert, wenn sie merkt, was wir vorhaben? Mit Maurice werde ich fertig, der ist im Grunde harmlos,
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