Jenseits von Timbuktu
den Boden durchgetreten, worauf sich die Räder immer tiefer eingegraben hatten. Am Ende musste sie von einem Bauern mit dem Traktor wieder herausgezogen werden.
Wie sie es damals auf drastische Art und Weise gelernt hatte, gab sie jetzt sehr gefühlvoll Gas. Der Reifen griff tatsächlich, und sie schaffte es im ersten Anlauf, aus dem Loch herauszukommen.
»Gut gemacht«, sagte Nils. Er zog sein tropfnasses Hemd aus, warf es auf die Ladefläche und trocknete sich notdürftig ab.
»Hinten drin liegen zwei Handtücher«, rief Jill ihm zu und rutschte wieder auf den Beifahrersitz.
Ein Handtuch über die Schultern gelegt, stieg Nils wieder ein und beugte sich zu ihr hinüber. »Entschuldige, dass ich dich vorhin angefahren habe«, sagte er leise. »Schieb es auf die Situation. »Kannst du dir vorstellen, wie lange es gedauert hätte, ehe wir der Polizei erklärt hätten, worum es geht? Die endlosen Fragen, die sie in ihrer nervenzermürbenden Art gestellt hätten? AuÃerdem wissen wir nicht, wie es kommt, dass dieses Schwein überhaupt entlassen wurde. Was dahintersteckt oder vielmehr wer. Wen er erpresst hat. Denk dran, wer er war und was er gemacht hat. Der ist wie ein Krake. Ãberall hat er seine Leute, von den einfachen Polizisten bis in die obersten Etagen der Politik. Hätten wir die Cops geholt, würdest du dich bei jedem fragen müssen, ob er Pienaars Mann ist.«
Jill antwortete nicht. Er hatte recht. Sie zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung und beobachtete wieder die Scheibenwischer, die noch schwerer liefen, weil es weiterhin wie aus Kübeln schüttete. Dazu war ein böiger Wind aufgekommen, der ständig stärker wurde und den Regen wie Kieselsteine gegen die Fenster prasseln lieÃ. Zusätzlich tauchten immer wieder Schlaglöcher
im Scheinwerferlicht auf, die Nils oft nur mit waghalsigen Manövern umfahren konnte. Wenigstens liefen in dem Platzregen weder Kinder noch irgendwelche Haustiere auf der StraÃe herum.
»Ich hoffe, dass Marina alle Fenster und Türen geschlossen hat, sonst ist nachher das Wasser im Haus einen halben Meter hoch«, murmelte sie abwesend. »Wobei mir einfällt, dass ich erst vorhin entdeckt habe, dass der vordere Verandapfahl beim letzten Wolkenbruch freigespült worden ist â¦Â«
»Na klasse, das hat gerade noch gefehlt«, knurrte Nils. »Wenn der nachgibt, rutscht die Veranda den Abhang herunter. Eine Sch⦠kommt selten allein.«
Keiner kommentierte seine Bemerkung.
»Wir sind gleich da«, setzte er hinzu.
Dirk hatte ihm nicht zugehört. Er starrte angespannt durch den treibenden Regen, trommelte dabei mit den Fingern nervös auf der Fensterumrandung. Wie Jill es vorausgesagt hatte, war es durch das Unwetter früher dunkel geworden. »Wir gehen durchs Loch im Zaun. Es ist nur Zeitverschwendung, bei Lia durch die Vordertür zu marschieren. Und Zeit haben wir weià Gott nicht.«
Jill stimmte ihm zu, aber Wilson meldete sofort Zweifel an. »Ich wette, dass der Zaun inzwischen repariert worden ist. Wir werden einen anderen Weg finden müssen.«
Er sollte recht behalten. Das Loch war tatsächlich geflickt worden. Im Scheinwerferlicht des Wagens glänzten mehrere ominöse Drähte durch den Regenschleier, die auf der Innenseite des Zauns einen halben Meter über dem Boden und oben an der Krone entlangliefen. Davor sammelte sich der Regen zu einer kleinen Seenplatte.
»Shit, die haben den elektrischen Zaun dort weitergezogen.« Dirk war aus dem Wagen gesprungen und strich am Zaun entlang. »Nirgendwo eine Lücke zu finden«, rief er Nils zu.
Mit jedem Schritt eine Bugwelle vor sich herschiebend, watete
Nils durch die tiefen Pfützen zu ihm hinüber. Er nahm die Situation in Augenschein und grinste dann zu aller Ãberraschung. »Kein Thema, das haben wir gleich. Wir werden einen Kurzen verursachen. Easy. Ich habe eine Eisenkette dabei. Standardausrüstung für einen Farmer. Die werfen wir rüber, und dann peng!«
Er grinste wieder und strich sich den Regen aus seinen widerborstigen Haaren. Dann öffnete er die Heckklappe des Wagens, nahm eine dicke Eisenkette und eine Drahtschere heraus und lief hinüber zum Zaun.
Jill manövrierte den Wagen so, dass die Scheinwerfer genau die Stelle ausleuchteten, die er anpeilte. Gespannt verfolgte sie, wie ihr Mann kraftvoll die Eisenkette schwang und zielsicher
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