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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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erschienen war und sie nun überall Gespenster sah. So kam sie Kira nicht einen Schritt näher, und die Zeit lief ihr davon. Mit Riesenschritten.
    Â»Ist gut, Nelly, danke.« Damit wandte sie sich ab, um eilig die Veranda zu verlassen.
    Â»Jilly, meine Augen haben es gesehen, und die sind noch sehr gut, wie die von einem Adler«, rief Nelly ihr nach. »Ich kann eine Fliege vom Bett aus an der Decke von meinem Zimmer erkennen, und da ist es dunkel. Es war klein und flog durch die Bäume, und es hatte dieses Ding auf dem Rücken.«
    Jill hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten. Von Nellys schriller Stimme verfolgt, setzte sie sich in Bewegung und lief zurück zum Parkplatz. Die Männer warteten in Grüppchen. Unruhig scharrten sie mit den Füßen und diskutierten untereinander, wo die Tochter von Inqaba sich aufhalten könnte. Vermutungen flogen hin und her. Dass sie von dem großen, schwarzmähnigen Löwen gefressen worden war, den einige erst vor Kurzem in der Umgebung gesichtet hatten. Dass jemand sie womöglich gestohlen hatte. Es gingen seit einiger Zeit Gerüchte um, dass ein Mann unterwegs war und Kinder von der Straße wegfing, um sie zu verkaufen.
    Â»Abaqwayizi«, flüsterte einer und verstummte jäh, weil Mark ihm schmerzhaft in die Seite boxte. Prostituierte, hatte der Mann
gesagt. Jill, die eben den Parkplatz erreichte, sollte das nicht hören.
    Die Eigentümerin Inqabas war wieder auf den Findling gestiegen. Ihr Blick flog über die Versammelten. »Ich habe mit Luca gesprochen. Kira durchstreift vermutlich den Busch und sucht Jetlag, ihren Hahn.«
    Lautes Gemurmel unterbrach sie. Sie zog eine Grimasse. Jetlag war allen bestens bekannt, und sie wusste, dass auch einige von ihnen schon mit dem Gockel als Suppeneinlage geliebäugelt hatten.
    Â»Angeblich wurde er geklaut«, schrie sie, um die Diskussion zu überstimmen. »Wir suchen von hier aus. Zu zweit, wobei einer davon immer ein Gewehr tragen muss. Wir werden in einem engen Gittermuster suchen …« Ihre Stimme versagte. Sie wartete so lange, bis sie sich wieder gefasst hatte. »Ruft nach Kira, immer wieder. Bitte.«
    Â»Madam, wenn sie hier irgendwo ist, finden wir sie. Sie gehört zu uns.« Der alte Farmarbeiter knetete seine verschossene Wollmütze in den abgearbeiteten Händen. Er hatte Tränen in den Augen.
    Jill sah es, und ein ungewollter Schluchzer fing sich in ihrer Kehle. Jonas hatte recht. Jeder auf Inqaba liebte Kira, und keiner würde ruhen, bis sie die Kleine gefunden hatten. Energisch schluckte sie ihre aufwallenden Gefühle hinunter. Rührung konnte sie sich jetzt nicht leisten. »Danke, John. Jetzt lasst uns anfangen. Philani, gehe in fünf Metern Abstand parallel zu mir. Los geht’s!«
    Die Männer gruppierten sich, und innerhalb von Minuten waren alle vom Busch verschluckt.
    Â»Ngikufisela inhlanhla!«, flüsterte Philani.
    Ja, dachte Jill grimmig. Viel Glück, das werden wir brauchen. Alles Glück dieser Welt.
    Wieder bahnte sie sich einen Weg durchs dichte Gestrüpp,
stocherte mit einem Stock unter Büschen herum, in Hohlräumen unter überhängenden Felsen, kletterte in dicht belaubte Bäume. Aber sie scheuchte nur zwei Schlangen hoch, die pfeilschnell ins Unterholz glitten. Fingerlange Dornen griffen nach ihr, rissen ihr Safarihemd vorn bis zum Saum auf. Mit einer Hand hielt sie die Hemdzipfel zusammen, lehnte ihr Gewehr gegen einen Baum und knotete das Hemd zusammen. Dann nahm sie ihre Waffe wieder auf und ging weiter.
    Immer wieder blieben sie stehen, um nach Kira zu rufen. Aber sie erschreckten nur ein paar Vögel, die schrill zwitschernd davonstoben. Ihr Rufen verhallte, ohne dass sie eine Antwort erhielten. Jills Angst stieg ins Unermessliche.
    Irgendwann vernahm sie in der Stille ein gedämpftes Motorengeräusch, das abwechselnd zunahm und dann wieder abebbte, aber allmählich immer lauter wurde. Kurz darauf bog der Wagen offensichtlich auf Inqabas Parkplatz ein. Der Motor wurde abgestellt. Jill stieg auf einen Erdhügel und verrenkte sich den Hals, um zu sehen, wer da angekommen war, aber wippende Baumkronen verdeckten ihr die Sicht. Ein neuer Gast konnte es nicht sein, und die Filmcrew wurde erst für morgen erwartet. Sie zögerte kurz, aber dann fiel ihr ein, dass Thabili ja Wein bestellt hatte, und nahm an, dass dieser jetzt angeliefert wurde. Ihre Leute waren nicht mehr

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