Jenseits von Timbuktu
er. »Ich bin wieder da.«
Niemand antwortete. Das war nun mehr als ungewöhnlich. Das war sogar auÃerordentlich beunruhigend. Wenigstens die Kinder und ihr Kindermädchen hätten hier sein müssen. Eine böse Vorahnung kroch ihm wie eine kalte Schlange über den Rücken.
»Jill?«
Wieder nichts. Er setzte das Gepäck ab und holte sein Handy hervor. Seine Finger zitterten leicht, als er ihre Nummer wählte. Er wartete. Das Blut dröhnte ihm in den Ohren. Endlich, nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, vernahm er ihre Stimme.
»Ja, bitte?«
Ihm fiel ein Stein vom Herzen. »Jill, wo bist du?«, rief er ohne weitere BegrüÃung.
»Mitten im Busch.« Sie klang erschrocken. »Von wo aus rufst du an? Hast du deinen Flug nach Frankfurt verpasst?«
»Nein, im Gegenteil. Ich bin einen Tag früher gekommen, um dich mit Dirk und seiner Meute morgen nicht allein zu lassen. Jetzt stehe ich auf unserer Veranda, und es ist kein Mensch hier. Was ist los?«
»Die ⦠die Filmleute kommen doch erst übermorgen â¦Â«, stotterte Jill.
»Was? Nein, ich bin mir sicher, dass Dirk gesagt hat, dass sie
morgen kommen. Ich hab erst vorgestern mit ihm telefoniert. Da war er irgendwo am Rand von nirgendwo, zwischen Pofadder und Namibia.«
»Morgen! Mir werden allein bei der Vorstellung, dass ab morgen der helle Wahnsinn auf Inqaba regiert, die Knie weich.«
»Nun beruhige dich. Ich rufe Dirk heute Abend noch einmal an, dann wissen wir es sicher. Die Schriftstellerin, nach deren Buchvorlage der Film gedreht wird, kommt übrigens auch. Allerdings privat. Eingeladen war sie nur an den Set von Pofadder. Soll aber ganz nett sein. Sagt Dirk. Wo bist du gerade genau? Wie schnell kannst du zur Lodge kommen, um deinen heimgekehrten Helden zu begrüÃen, der dich heute Abend in das Restaurant deiner Wahl einladen wird?«
Er lachte leise, jenes intime Lachen, das nur für sie bestimmt war.
Heute aber reagierte sie nicht darauf. »Ich bin zu Fuà unterwegs â¦Â« Sie klang nervös.
Nils hatte ein feines Ohr für die Nuancen ihrer Stimme. »Zu Fu� Ist etwas passiert?«, fragte er.
Jill holte hörbar tief Atem und antwortete nicht gleich. »Kira ist verschwunden«, sagte sie schlieÃlich. Ihre Stimme war tränenerstickt.
Nils wurde kalt. Jill weinte selten. Sie konnte mehr aushalten als die meisten Menschen, die er kannte, sicherlich mehr als alle Frauen seiner Bekanntschaft, und sie bewahrte selbst in Situationen, wo andere längst zusammengebrochen wären, einen kühlen Kopf. Er packte das Telefon so fest, dass seine Fingerknöchel weià hervortraten. »Was heiÃt verschwunden?«
Jill sagte es ihm, auch das, was sie von Luca erfahren und was Nelly erzählt hatte. »Eine Art Buckel soll dieses Wesen haben, angeblich so dick wie Nellys Hintern. Ich weià nicht, ob ich ihre Geschichte als Unsinn abtun oder darüber nachdenken soll, was sie gesehen haben könnte. Und niemand hat eine
Ahnung, wer den Gockel geklaut haben könnte. Wir suchen schon den ganzen Tag. Wir haben bislang keine einzige Spur gefunden.«
»Ich erwürge dieses verdammte Vieh! Und den, der ihn geklaut hat, ebenfalls«, schrie er. »Wo seid ihr?«
Das Telefon am Ohr, nahm er sein Gepäck hoch, ging hinüber zum Haus, stieà die Terrassentür auf, setzte den Koffer ab und warf den Kamerabehälter und Laptoptasche auf die Couch im Wohnzimmer. Dann schleuderte er seine Schuhe von den FüÃen und machte sich auf die Suche nach seinen Buschstiefeln. Er fand sie im Schrank, wo ohne Zweifel Nelly sie platziert hatte, die immer geduldig hinter ihm herräumte. Er schlüpfte hinein. Glücklicherweise trug er Jeans. Ideal für einen FuÃmarsch durch Dornengebüsch. Sein Hemd aus schwarzer Baumwolle konnte er anlassen. Es genügte, die Ãrmel hochzukrempeln. »Soll ich dich irgendwo abholen, oder hast du den Wagen in der Nähe?«
»Wo genau wir sind, kann ich nicht sagen. Irgendwo mitten in der Pampa. Aber ich kann in einer Viertelstunde an der Wegkreuzung sein, wo der Isivivani steht. Und Jonas müsste sich im Büro befinden, er kann dir alle Informationen geben.«
»Okay, ich komme. Warte da auf mich. Kopf hoch, mein Liebling, unsere Kira kennt den Busch wie ihr Kinderzimmer. Vermutlich hat sie mal wieder einen kranken Vogel gefunden und hat die Zeit
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