Jenseits von Timbuktu
erschrocken und wandte sich gehorsam zum Gehen, zögerte dann aber. »Tut der Kopf noch weh? Wenn du doch noch Probleme bekommen solltest, lass Jill einen Doktor holen. Man kann nicht vorsichtig genug mit Kopfverletzungen sein. Ich zahle. Den Doktor, meine ich.« Seine Haltung war schüchtern, seine Miene betrübt.
»Das ist nicht nötig«, sagte Anita schnell und leicht beschämt. »Ich merke es fast nicht mehr.« Das stimmte zwar nicht ganz, die Beule pochte noch unangenehm, aber etwas Ernsthaftes konnte das nicht sein, weil sonst kein anderes Symptom auf eine Gehirnerschütterung hindeutete. »Vielen Dank für alles. Vielleicht sehen wir uns ja noch einmal wieder.« Das war eigentlich nur so dahingesagt, aber Mauriceâ Augen leuchteten auf.
»Gerne.« Er fummelte an seiner rückwärtigen Hosentasche, zog seine Brieftasche hervor und entnahm ihr eine Visitenkarte. »Hier, meine Adresse und Telefonnummer, steht alles drauf. Komm uns mal besuchen. Es ist nicht weit von hier. Jill weiÃ, wie man dort hinkommt. Oder du rufst einfach vorher an, und
ich hole dich ab. Komm doch zum Essen. Meine Mutter würde sich sicher freuen.«
Anita nahm die Karte. Sie fragte sich, ob alle Südafrikaner so freundlich und hilfsbereit waren wie Maurice. »Maurice Beckmann«, las sie laut. »Okay, danke. Ich muss mich erst mal eingewöhnen, dann melde ich mich.«
»Ja, natürlich. Das verstehe ich. Ach übrigens, ein kleiner Tipp.« Er zeigte auf ihren diamantfunkelnden Verlobungsring. »Den solltest du abnehmen. Man sollte keine Begehrlichkeiten wecken, wenn du weiÃt, was ich meine.«
Sie fasste betroffen an ihren Ring. »Okay. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.« Langsam zog sie ihn ab und rieb die helle Stelle am Finger, schob den Ring dann aber wieder zurück.
»Sicher gibt es im Bungalow einen Safe. Ist nur eine VorsichtsmaÃnahme. Also ⦠dann.« Mit einem Winken entschwand Maurice durch die Eingangstür. Der Lichtstrahl der Taschenlampe tanzte über den Busch, entfernte sich schnell und war bald nicht mehr zu sehen.
Endlich war sie allein. Sie machte sich daran, den Bungalow zu erkunden, und stellte fest, dass sie eine wohlgefüllte Bar zur Verfügung hatte und die Möglichkeit besaÃ, sich Kaffee und Tee zu kochen. Mit flinken Fingern durchsuchte sie den Bestand. Whisky, Cognac, Wodka. Nicht ihr Ding, jedenfalls nicht jetzt. Natürlich gab es Wein und Bier. Rotwein war ihr zu schwer, auf Bier hatte sie keine Lust, aber ein Grauburgunder tat es ihr an. Sie goss ein Glas voll und wanderte weiter.
Das Schlafzimmer sah sehr gemütlich aus, die Schränke waren geräumig, und das Badezimmer war eine Sinfonie aus mattem, dunkelgrauem Stein und Glas. Ãbergangslos schien es sich hinaus in die Wildnis zu erstrecken. Ein Spotlicht strahlte eine vielstämmige, groÃblättrige Pflanze an, deren weiÃe Kranichkronenblüte sie an eine Strelitzie erinnerte. Von deren blauer
Zunge sah sie ein grasgrüner Frosch aus tiefgründigen, goldenen Augen an.
»Hallo, mein Prinz«, murmelte sie und schaltete das Licht im Bungalow aus. Zufrieden lieà sie sich in einem der zwei bequemen Rattansessel auf der Terrasse nieder, nippte an dem Wein und schaute sich um. Der Mond war wieder verschwunden, und es herrschte tiefe Dunkelheit, an die sich ihre Augen allmählich gewöhnten. Sie legte den Kopf in den Nacken. Ãber ihr flimmerte ein Sternenhimmel, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Mitternachtsblauer Samt mit Myriaden von funkelnden Diamanten besetzt. Ihr Blick verlor seinen Fokus, es schimmerte und glitzerte, die weiche Luft umschmeichelte sie, das Nachtkonzert Afrikas nahm sie gefangen. Ihre innere Erregung löste sich, und eine köstliche Ruhe durchfloss sie, und das lag nicht an dem exzellenten Wein.
Dieser Zustand fand jedoch ein jähes Ende, weil das Telefon klingelte. Jill Rogge meldete sich und bot ihr an, einen Ranger zu schicken, um sie zum Dinner abzuholen. Im ersten Moment wollte sie ablehnen, tat es aber dann doch nicht, aus dem schlichten Grund, dass sie überraschenderweise einen Mordshunger verspürte.
Eilig begab sie sich ins Schlafzimmer, zog ihr verschwitztes Leinenkleid aus und warf es zusammen mit ihrer Unterwäsche auf den Badezimmerboden. Mit Sicherheit gab es auf Inqaba einen Wäscheservice, der die Sachen morgen waschen konnte. Sie duschte im Eiltempo und
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