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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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so, nun ja, mulmig zumute? Eigentlich sollte ich mich erleichtert fühlen.
    Ich griff zögernd nach der Halskette, und der runde, etwa weintraubengroße Diamant kam unter der Knopfleiste hervor. Er hatte dasselbe Grau wie die Wolken am Himmel, doch seine Facetten schafften es irgendwie, sogar im trüben Mondlicht dieser stürmischen Nacht zu glitzern.
    Als er sah, was ich tat, leuchteten seine Augen auf, als würde jemand nach einem Sturm die Läden an den Fenstern seines Hauses wieder weit aufreißen. Alle Reserviertheit verschwand aus seinem Gesicht, und selbst in seine toten Augen kehrte Leben zurück.
    Irgendwie hatte er wohl recht, überrascht zu sein, denn wer läuft schon gerne mit einem Andenken an seinen eigenen Todestag um den Hals herum? Vielleicht sollte ich doch nochmal zu meinen Psychiatern gehen und ihnen diesmal die ganze Wahrheit erzählen. Doch was würde das schon ändern? Mir würde es vielleicht helfen, aber ihnen? Wohl kaum.
    »Hmm«, meinte ich unsicher.
    Tu es , hörte ich die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Dabei wusste meine Mom gar nicht, woher ich die Kette hatte. Hätte ich es ihr erzählt, hätte sie mich nur genauso für verrückt gehalten wie alle anderen.
    »Willst du … sie zurück?« Es brachte mich fast um, diese Frage zu stellen, aber es war an der Zeit. Es war Zeit, nochmal ganz von vorne anzufangen.
    Ständig hatte ich den Stein versteckt gehalten, um andere zu schützen. Doch das war nur die halbe Wahrheit. Ich hatte ebenso sehr versucht, ihn zu beschützen. Seit er ihn mir gegeben hatte, hatte ich ihn gehütet wie einen Schatz. Denn tatsächlich war ich seit dem Moment, da ich ihn zum ersten Mal erblickt hatte, geradezu lächerlich verliebt in den kleinen Diamanten.
    Aber ich wollte keine Konsequenzen. Nicht für mich, nicht für ihn, für niemanden.
    Ich zog die Kette über meinen Kopf, ohne darauf zu achten, dass sie sich in meinen Haaren verfing. Eigentlich hatte ich mich möglichst geschickt und feinfühlig anstellen wollen, denn wenn es eines gibt, das sie uns Mädchen auf der Westport Academy for Girls – von der ich zwar geflogen war, aber was soll’s – beibringen, dann Feingefühl und Geschick in schwierigen Situationen. Was auch der Grund war, warum mein Dad darauf bestanden hatte, mich auf genau diese Schule zu schicken. Ein paar seiner Kunden hatten ihm von der Schule erzählt, und er hoffte, die Ausbildung dort würde es mir ersparen, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie er. Aber bis jetzt schien die Rechnung nicht besonders gut aufzugehen.
    Tu es .
    Ich hielt ihm die Kette hin, die immer noch halb in meinen Haaren festhing.
    »Schon in Ordnung«, sagte ich und fluchte innerlich über das Zittern in meiner Stimme. Nicht zu vergessen meine zittrigen Hände. Ob er es im spärlichen Mondlicht sehen konnte? Hoffentlich wenigstens nicht die Tränen in meinen Augen.
    »Du kannst sie zurückhaben. Ich weiß, ich hätte sie gar nicht erst mitnehmen sollen. Es tut mir leid, wenn … das irgendwelche negativen Folgen hatte. Aber es ging alles so schnell. Naja, das weißt du ja. Jedenfalls«, fügte ich hinzu, in dem Versuch, die Situation mit Humor ein bisschen aufzulockern, »musst du mich jetzt nicht mehr überallhin verfolgen.«
    Hätte ich mit aller Macht versucht, die Situation zu zerstören, ich hätte es nicht besser hingekriegt. Es schien das Schlimmste zu sein, was ich hätte sagen oder tun können. Binnen eines Wimpernschlags gingen die Läden wieder zu, die sich eben erst geöffnet hatten.
    »Dich verfolgen? So nennst du das also?«, fragte er und riss mir die Kette aus der Hand.
    Ich blinzelte verwirrt. So viel also zu Geschick und Einfühlungsvermögen. Und Humor natürlich.
    »Ich habe dir das hier gegeben«, knurrte er – seine dunkle Stimme schlug mir mit derselben Wucht ins Gesicht, mit der der Gewitterregen jeden Moment auf die Mangroven an der Küste einprügeln würde – und schüttelte zornig die Kette vor meinem Gesicht, »weil es den Träger vor Bösem schützt. Ich dachte, das hätte ich dir begreiflich gemacht. Und Schutz scheinst du ja besonders nötig zu haben, denn jedes Mal, wenn ich dich sehe, hast du jede Menge Ärger am Hals. Aber da du offensichtlich weder mich noch die Kette willst, mache ich dir einen Vorschlag: Hör auf, hierherzukommen. Und trag den Diamanten nicht.«
    Bei den Worten »trag den Diamanten nicht« drehte er sich um und warf meine wunderschöne Halskette so weit weg, wie er nur konnte. Einsam segelte sie

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