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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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auf die längere der beiden Schlangen, vielleicht dreißig Meter entfernt.
    Es stimmte tatsächlich. Die Leute da drüben hatten offensichtlich dasselbe gehört wie die alte Lady und ließen nichts unversucht, um zu uns in unsere Schlange zu kommen. Die glatzköpfigen tätowierten Kerle in ihren Ledermänteln hatten alle Hände voll zu tun, sie im Zaum zu halten, und drängten sie zurück, wie Bodyguards auf einem Rockkonzert es mit übereifrigen Fans machen.
    »Hey«, sagte jemand hinter mir. Dieser Jemand war älter als ich, aber deutlich jünger als die alte Lady, vielleicht in seinen Zwanzigern. »Hast du vielleicht Netz?« Er hielt sein Handy hoch. »Ich krieg hier einfach keinen Empfang.«
    Ich klopfte meine Taschen ab – leer. Natürlich hatte ich mein Handy nicht dabei, das hatte ich in meinen Albträumen nie. »Sorry«, sagte ich. »Ich habe …«
    Und dann sah ich ihn. Noch so ein großgewachsener Typ in Schwarz – Stiefel, Lederhandschuhe, Mantel, alles –, und er saß auf einem Pferd, natürlich auch schwarz, mit dem er auf die rebellierenden Schlangestehenden zugaloppierte.
    Ich erkannte ihn sofort, auch wenn es schon so viele Jahre her war, und war unglaublich erleichtert: endlich ein bekanntes Gesicht. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich keine Sekunde zögerte, aus meiner Schlange ausbrach und direkt auf ihn zuging, obwohl ich gesehen hatte, wie alle anderen sofort auseinanderstoben, um ihm ja nicht in die Quere zu kommen.
    »Ach, Mädchen, das würde ich an deiner Stelle aber lieber nicht tun!«, rief die alte Lady noch hinter mir her.
    »Schon in Ordnung«, gab ich über die Schulter zurück. »Wir kennen uns.«
    »Total durchgeknallt«, hörte ich den Typ hinter mir murmeln und hatte noch keine Ahnung, wie viele weitere Male ich das noch zu hören bekommen würde. »Die scheint sich wohl umbringen zu wollen.«
    Die beiden hatten es noch nicht geschnallt. Genauso wenig wie ich. Zumindest zu diesem Zeitpunkt.
    Manche haben nun mal Angst vor Pferden, sagte ich mir, während ich über den sandigen Boden auf ihn zulief. Deshalb hatten sie solchen Schiss, und ich eben keinen.
    Dieses Pferd allerdings war nicht zu vergleichen mit Hannahs Hengst »Mutprobe«, der Sanftmut auf vier Beinen. Mittlerweile bockte er schon vor den kleinsten Hindernissen, weshalb Hannah inzwischen auch lieber im Schulteam Basketball spielte, auf der Strandpromenade rumhing in der Hoffnung, zufällig einen der Freunde ihres älteren Bruders zu treffen, oder sogar in Clubs ging, anstatt auf den Reitplatz. Der Name Mutprobe war zu einer Art Running Gag in unserer Clique geworden, denn das Vieh hatte mittlerweile nichts Mutiges mehr an sich.
    Bei diesem Pferd hier brauchte man allerdings schon eine gehörige Portion Mut, um es überhaupt nur anzusehen, geschweige denn sich ihm zu nähern. Was wohl auch der Grund war, warum es scheute, als ich genau das tat.
    Ich hatte lediglich »Hey« gesagt, um seinen Reiter auf mich aufmerksam zu machen, der gerade die Leute in der anderen Schlange angebrüllt hatte, sie sollten verdammt nochmal bleiben, wo sie waren, woraufhin sie der gebieterischen Stimme sofort gehorchten.
    Ich hätte nie geglaubt, dass der liebenswürdige Mann aus meiner Erinnerung, der die arme Taube wieder zum Leben erweckt hatte, so brutal sein konnte. Wie gelähmt vor Angst stand ich da, und schon im nächsten Moment wirbelten die pechschwarzen Hufe vor meiner Nase, als das Pferd sich wild schnaubend vor mir aufbäumte. Zu Tode erschreckt duckte ich mich weg und hielt schützend die Hände über den Kopf. Dann krachten die Hufe polternd zurück auf den Boden, Sandfontänen spritzten auf, und ich hechtete zur Seite, um in letzter Sekunde mein Leben zu retten.
    Da hallte der lauteste Donner durch die Höhle, den ich je gehört hatte. Ich konnte jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob es tatsächlich ein Donner gewesen war oder das Geräusch, mit dem das Pferd auf dem Strand aufschlug, weil es mit einem Hinterhuf im Sand ausgerutscht war.
    Dann schrie ein Mann irgendetwas Unverständliches, und als ich kurz aus meiner Deckung aufblickte, sah ich, dass der Schrei von dem Reiter gekommen war. Er hatte wohl den Namen des Pferdes gerufen, Alastor oder so ähnlich, und riss seine Stiefel aus den Steigbügeln, während sein Pferd strampelnd versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
    Ich zuckte beinahe genauso heftig zusammen wie in dem Moment, als das Pferd gescheut hatte, weil ich entsetzt begriff, dass dies kein

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