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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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meines Albtraums gehalten hatte, war erst der Anfang gewesen, wie sich herausstellen sollte.

»Du mußt auf einem andern Wege fort«,
    Sprach er zu mir, den ganz der Schmerz bezwungen,
    »Willst du entfliehn aus diesem wilden Ort.«
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Erster Gesang
    A nstatt zu Hause oder am See fand ich mich in einem langgestreckten, schick eingerichteten, halboffenen Innenraum wieder. Das Pferd war weg, die Wächter waren weg, See und Strand waren weg. Und die Leute, die in den beiden Schlangen angestanden hatten, waren ebenfalls verschwunden. Nur der Wind war noch da und spielte sanft mit den langen Seidenvorhängen an den eleganten, bogenförmigen Durchgängen entlang der einen Seite des Raums.
    Er war das Einzige, das sich nicht verändert hatte. Alles andere, das mit weißen Laken bezogene Bett mit dem schweren, dunklen Baldachin darüber am einen Ende des Raums; die beiden thronähnlichen Stühle an der langen Tafel vor der beeindruckend großen Feuerstelle am anderen Ende; die mit mittelalterlich wirkenden Szenen detailreich bebilderten Wandteppiche, die hier und da an den weißen Marmorwänden hingen, und selbst der Diwan, auf dem ich saß: Nichts davon hatte ich je zuvor in meinem Leben gesehen. Also war es doch ein Traum. Das war die einzig mögliche Erklärung.
    Nur dass alles – vom Plätschern des Wassers im Brunnen draußen im Garten hinter den Torbögen über das weiche Fell unter meinen plötzlich nackten Füßen bis hin zum Geruch des Feuers, das in dem Kamin loderte – sich so unglaublich echt anfühlte. Genauso echt wie meine Eindrücke nur Sekunden zuvor. Das Realste an der ganzen Szene jedoch war er , wie er neben mir auf dem Diwan saß.
    »Besser?«, fragte er mit einer Stimme, die kein bisschen mehr wie Donner klang. Sie war voll und weich, so wie der Teppich, in dem meine Füße versanken, nachdem ich reflexartig von dem Diwan aufgesprungen war.
    Was war hier los? Zitternd hob ich die Hand, strich mir das mittlerweile trockene Haar aus dem Gesicht und erblickte aus dem Augenwinkel etwas Weißes.
    Ich schaute nach unten, und was ich dort sah, war weder sein Ledermantel noch meine eigenen nasskalten Klamotten, sondern eine Art Kittel. Aber kein Krankenhauskittel. Oben herum war das Gewand eng geschnitten, nach unten hin fächerte es sich auf wie ein Kleid und reichte beinahe bis zum Boden. Es sah ein wenig so aus wie die Gewänder, die die Frauen auf den Wandteppichen trugen. Oder wie die schicken Designer-Sachen des weiblichen Oberschichtpublikums bei den jährlichen Tanzaufführungen an der Westport Academy for Girls. Diesen Teil musste ich auf jeden Fall träumen.
    Aber warum konnte ich dann meinen heftigen Herzschlag spüren?
    Der Kerl neben mir war ebenfalls aufgesprungen und schaute mich mit einem Gesichtsausdruck an, der sich wohl nur als »besorgt« beschreiben lässt. »Du hast es dir doch genau so gewünscht, oder?«, fragte er. »Dir ist nicht mehr kalt, und trocken bist du auch. Außerdem wolltest du weg von dem See.«
    Ich starrte ihn nur mit offenem Mund an, völlig außerstande, etwas zu sagen. Ich war eine Mittelstufenschülerin aus Connecticut, die nichts anderes getan hatte, als einmal zu blinzeln, nur um sich im nächsten Augenblick im Schlafzimmer eines etwa neunzehnjährigen Typen wiederzufinden. Kapierte er nicht, dass mich das verstören musste?
    »Hier bist du sicher«, beruhigte er mich.
    Nun ja, den Garten hinter unserem Haus hatte ich auch immer für sicher gehalten …
    »Ich verstehe das nicht«, sagte ich, nachdem ich meine Stimme wiedergefunden hatte, und selbst jetzt klang sie immer noch dünn und piepsig. Ich setzte mich vorsichtshalber wieder hin, nur für den Fall, dass ich gleich einen Anfall oder etwas Ähnliches bekommen würde. »Was ist hier los? Wo sind wir? Wer bist du?«
    Anscheinend hatte ihn die Tatsache, dass ich überhaupt sprechen konnte, zu dem Trugschluss verleitet, ich wäre wieder einigermaßen auf dem Damm, denn er ging ganz entspannt zu der langen Tafel hinüber.
    »John«, sagte er einfach über seine unglaublich breiten Schultern hinweg. »Ich bin John. Hab ich dir das nicht schon letztes Mal gesagt? Ich dachte, ich hätte.«
    John? Sein Name war John ? Vielleicht hatte ich mir den Kopf härter angeschlagen, als ich dachte, und litt jetzt an Gedächtnisverlust oder etwas in der Art. Vielleicht war das ja nur ein Kostümfest. Das würde zumindest mein Kleid erklären. Vielleicht war der Typ ja ein Kumpel von Hannahs

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