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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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seit ich hier bin?«
    Ich schluckte. Johns Gesicht war nur noch Zentimeter von meinem entfernt. Es roch stark nach Rauch, und ich konnte nicht mal sagen, ob der Geruch von ihm ausging oder von dem Feuer im Kamin. Vielleicht von beidem. »Keine Ahnung«, antwortete ich.
    »Kein einziges Mal«, erwiderte er. »Und ich mach das hier schon eine ganze Weile. Die anderen sagen immer: › Ich bin durchweicht. Mir ist kalt.‹ Nach meinem Wohlbefinden hat noch keiner gefragt. Aber du bist anders. Dir liegt auch das Wohl anderer am Herzen … nicht nur von Vögeln oder Pferden, sondern auch das deiner Mitmenschen. Und deshalb«, sagte er und kam dabei noch näher, gefährlich nahe, »schätze ich, dürfte es eine Menge Leute geben, denen auch dein Wohl sehr am Herzen liegt.«
    Einen Moment lang dachte ich, er würde mich küssen. Ich war mir so gut wie sicher. Seine Lippen waren jetzt ganz dicht an meinen, und er streckte einen langen, muskulösen Arm aus, als würde er mich gleich umarmen.
    Ich kannte die Geschichten über Liebe auf den ersten Blick, und vielleicht hatte er recht, und ich hatte mich getäuscht. Denn er hatte sich nicht verändert. Er war immer noch eine beeindruckende Erscheinung: das dunkle Haar, das um sein Gesicht wallte, dieser krasse Kontrast zu seinen unglaublich hellen Augen. Er war nicht unbedingt schön, aber er war jemand, von dem man den Blick nicht mehr losreißen konnte, wenn man ihn zufällig irgendwo sah. Zumindest ich nicht.
    Aber er küsste mich nicht. Stattdessen griff er nach einem Gegenstand auf einem Regal direkt hinter meinem Kopf. Es war eine kleine hölzerne Schachtel. Er nahm meine Hand und sagte: »Setz dich für einen Moment zu mir.«
    Mein Herz schlug immer noch wie wild, weil ich geglaubt hatte, er würde mich küssen. Nicht, dass ich es gewollt hätte. Ich wollte mich nicht mal zu ihm setzen, aber gleichzeitig wollte ich auch nicht unhöflich sein, vor allem jetzt, da er mich in Richtung der Tafel zog. Was konnte ich schon tun? Mich von ihm loszumachen wäre ein ziemlicher Affront gewesen. Schließlich hatte er mir kein Haar gekrümmt. Außer vielleicht, dass er mich angeschrien hatte, weil sein Pferd meinetwegen gestürzt war und sich dabei möglicherweise verletzt hatte; und dass er mich angeschrien hatte, ich solle gefälligst zurück in meine Schlange gehen. Aber immerhin war er hier der Manager oder so was Ähnliches, und ich war sein Gast. Also musste ich tun, was er sagte.
    Ich setzte mich auf den Stuhl, den er mir zuvor angeboten hatte, und sagte so freundlich, wie ich nur konnte: »Weißt du, das ist ja alles schön und nett, und ich hoffe, der Job oder was auch immer deine Aufgabe hier ist, läuft gut, und vielen Dank auch für die …«
    Wie spät war es überhaupt? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Ich hatte nirgendwo eine Uhr gesehen, und das Licht draußen hinter den dünnen weißen Vorhängen hatte denselben zarten Rosastich wie das unten am See. Der ganze Raum erstrahlte in einem rosafarbenen Schimmer, aber bedeutete das nun, dass es Zeit fürs Mittagessen war? Oder eher Abendessen? Ich wusste es nicht.
    »… Essenseinladung«, sprach ich weiter. »Ich würde ja schrecklich gerne bleiben, aber …«
    Während meiner Ansprache hatte er das kleine Holzkästchen aufgeklappt und hielt es mir unter die Nase.
    Und da war er. Ich starrte ihn an, meine Stimme versagte und … dabei stehe ich eigentlich gar nicht besonders auf Schmuck. Aber das hier war etwas anderes.
    »Gefällt er dir?«, fragte John. Er schien beinahe, nun ja, nervös zu sein. Was mich einigermaßen überraschte, denn schließlich war er ja eher von der selbstbewussten, um nicht zu sagen: furchteinflößenden Sorte. »Du musst ihn nicht annehmen, wenn es dir unangenehm ist oder er dir nicht gefällt.«
    Ich spürte, wie der Edelstein sanft mein Brustbein berührte. Denn natürlich hatte ich auf seine Frage hin eifrig genickt. Aber ich wollte das Ding so sehr haben, dass mir die Worte fehlten, weshalb er um meinen Stuhl herumgegangen war und mir die Halskette einfach umgehängt hatte.
    Noch nie in meinem Leben hatte ich etwas so umwerfend Schönes gesehen. Der Diamant hatte die Farbe einer Gewitterwolke. Ein rauchiges Grau an den Rändern seiner Facetten, welches sich zur Mitte hin so sehr ins Dunkelblaue veränderte, dass es beinahe Schwarz wirkte. Er war das genaue Gegenteil der Tiffany-Ringe mit ihren strahlend weißen Diamanten und hellblauen Saphiren, welche die anderen Mädchen an meiner

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