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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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genauso mysteriöse Weise verschwunden war wie das junge Ding …
    Vielleicht war das der Grund, warum ich die Halskette danach nie wieder jemandem zeigte.
    Seit diesem Vorfall fühlte ich mich ständig, als würde John mich beobachten, vielleicht sogar beschützen – wenn auch etwas übereifrig. Vor allem nach dem, was an der Schule mit Hannah und Mr. Mueller passiert war.
    Was ich jedoch nicht verstand, war, warum. Warum in aller Welt machte er sich überhaupt die Mühe? Schließlich war ich ihm im wahrsten Sinne des Wortes davongelaufen.
    Und jetzt hatte er eben jene Kette hinaus in die Nacht katapultiert, mitten hinein in einen Irrgarten aus Mausoleen und oberirdischen Grüften auf dem Friedhof von Isla Huesos, und ich wusste, dass er das nicht getan hatte, weil er sie zurückwollte.
    Ich hätte sie suchen sollen, wirklich, aber ich tat es nicht. Denn als er seinen Arm hob, um die Kette von sich zu schleudern, sah ich – was sollte man auch anderes erwarten von jemandem, der von der Westport Academy for Girls geflogen war –, dass ich mal wieder überhaupt nichts kapiert hatte.
    Es ging mich natürlich nichts an, nicht mehr. Das hatte er mir gerade deutlich gezeigt, indem er meinen Anhänger etwa die Länge eines Footballfeldes weit von sich geworfen hatte. Doch ich hatte vor Kurzem beschlossen, die Angelegenheiten anderer zu meinen Angelegenheiten zu machen. Das war Teil des Neuanfangs, den Mom mit mir auf dieser Insel machen wollte. Außerdem waren seine Angelegenheiten immer schon auch meine gewesen. Er hatte mit all dem angefangen. Er war zu mir gekommen. Beim ersten Mal zumindest.
    Ich konnte also nicht nach meiner Halskette suchen, sondern musste einfach bleiben, wo ich war. Punkt. Stattdessen nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte: »Was ist mit deinem Arm passiert?«

Wie schwer ist’s doch, von diesem Wald zu sagen,
    Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Noth;
    Schon der Gedank’ erneuert noch mein Zagen.
    Dante Alighieri, Göttliche Komödie , Erster Gesang
    E r starrte mich an, als würde er mich für verrückt halten. Aber warum sollte er auch ausgerechnet in diesem Punkt anderer Meinung sein als alle anderen?
    »Was?« Er schien immer noch ziemlich wütend, worauf auch die heftige Auf-und-ab-Bewegung seiner Brust hindeutete, die den Eindruck erweckte, als hätte er gerade einen Marathonlauf absolviert.
    Also hätte ich es eigentlich besser wissen müssen und lieber bleiben lassen sollen, was ich als Nächstes tat: Ich fuhr mit dem Finger über die Narbe, die ich soeben auf der Innenseite seines Arms entdeckt hatte und die sich bis unter den Ärmel seiner schwarzen Jacke hinaufschlängelte. Und vor allem hätte ich niemals sagen dürfen: »Die ist neu.« Aber ich tat es.
    John zog seinen Arm weg, als hätte ich ihm einen Elektroschock verpasst. »Lass das«, fauchte er mich an. »Das ist gar nichts.«
    »Nach ›gar nichts‹ sieht das aber nicht aus«, erwiderte ich besorgt. Ich hatte mir inzwischen ein paar Dinge zusammengereimt und war nicht gerade glücklich über meine naheliegendste Schlussfolgerung. »Ist das eine der Konsequenzen, von denen du gesprochen hast?«
    Seine Augen verengten sich, und ich spürte die Hitze, die von ihm ausging. Und da war auch wieder dieser Geruch, an den ich mich immer noch so gut erinnerte, diese Mischung aus Rauch und irgendetwas Herbstlichem. »Ich bin kein kleines Vögelchen«, sagte er mit einem drohenden Tonfall in der Stimme. »Ich brauche keine Hilfe. Von dir nicht und auch nicht von irgendjemand sonst. Weiß deine Mutter überhaupt, dass du hier bist?«
    Seltsam, dass er meine Mutter erwähnte, denn es war ihre Stimme, die ich genau in diesem Moment in meinem Kopf hörte und die mich dazu drängte, ihm endlich zu sagen, was ich das letzte Mal, als wir uns begegnet waren, nicht gesagt hatte, an jenem fürchterlichen Tag in der Schule … das zu sagen er mir keine Gelegenheit gegeben hatte, weil er sofort wieder verschwunden war.
    Natürlich hatte er auch verschwinden müssen, denn die Polizei war gerade auf dem Weg gewesen. Mal wieder.
    Außerdem wusste meine Mutter ja gar nichts von ihm, außer dem, was auch die Psychologen und, wie ich jetzt wusste, sogar Oma über ihn zu wissen glaubten: dass er nicht real war.
    Hätte Mom allerdings gewusst, was ich über ihn wusste, hätte sie gewollt, dass ich es ihm sage. Ich musste es ihm sagen, mehr denn je, denn spätestens jetzt war mir klar geworden, dass meine erste Einschätzung von ihm gar

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