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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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befreien. Und in welchem Märchen würde John schon als Prinz auftauchen? Er war das exakte Gegenteil eines Märchenprinzen. Eher sowas wie der böse Zauberer in der schwarzen Kutte. Doch vielleicht konnte er auch gar nichts für sein furchterregendes Äußeres, genauso wenig wie ich etwas an dem ändern konnte, wie ich nun einmal war, oder daran, wie ich als Fünfzehnjährige auf ihn reagiert hatte.
    »Ich entschuldige mich nicht nur«, sprach ich weiter und fragte mich, wie es kam, dass ich, obwohl ich jetzt zwei Jahre älter war, immer noch nicht die richtigen Worte fand, »weil du mir in dem Juwelierladen geholfen hast, und auch nicht nur wegen des Zwischenfalls letzten Frühling in meiner alten Schule.«
    Endlich zeigte er eine Reaktion. Er neigte zwar nicht den Kopf, aber er zog immerhin eine Augenbraue nach oben. Was die Dinge aber auch nicht einfacher machte, denn sein Gesichtsausdruck war immer noch vollkommen undurchdringlich.
    »Damit hat es nichts zu tun«, bekräftigte ich, als er nichts erwiderte. »Es ist nicht so, dass ich dir nicht dankbar wäre. Denn das bin ich. Und es tut mir leid, dass ich mich damals nicht bei dir bedankt habe. Es wurde nur alles so … hektisch, nachdem du wieder verschwunden warst.«
    »Hektisch« war ein bisschen milde ausgedrückt für das Chaos, das John hinterlassen hatte, nachdem er an der Westport Academy for Girls aufgetaucht war.
    »Warum du ja auch«, sagte er endlich, »mit deiner Mutter hierhergezogen bist. Um nochmal ganz von vorne anzufangen.«
    »Genau«, meinte ich. »Deshalb werde ich dich an meiner neuen Schule auch nicht brauchen. Und nur damit du’s weißt: Ich hatte die Situation vollkommen unter Kontrolle, bevor du aufgetaucht bist.«
    Jetzt ging auch die zweite Augenbraue nach oben.
    »Das hatte ich«, insistierte ich. »Ich brauche deine Hilfe nicht. Deshalb hatte ich ja die Kamera da …«
    Bei dem Wort »Kamera«, schoss seine Hand nach vorn, so schnell, dass ich die Bewegung gar nicht gesehen hatte, und packte mich am Oberarm. Es tat nicht direkt weh, aber besonders sanft war sein Griff auch nicht. Er zog mich zu sich heran, und der dunkle Schleier über seinen Augen hellte sich einen winzig kurzen Moment lang auf. »Welche Kamera?«, knurrte er.
    »Die Kamera«, stammelte ich, während mir klar wurde, dass ich besser erst gar nicht davon angefangen hätte, »die ich in meinem Rucksack präpariert hatte, um …«
    Jetzt zu sagen, er sah geschockt aus, wäre eine geradezu kriminelle Untertreibung.
    »Soll das heißen, du hast das Ganze geplant ?«, fragte er wütend. »Was damals mit deinem Lehrer vorgefallen ist, das war Absicht? Du wolltest, dass er dir was antut?«
    Vielleicht verfolgte er mich ja doch nicht auf Schritt und Tritt. Denn dann hätte er mit Sicherheit Bescheid gewusst.
    »Hmm«, meinte ich, und mein Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an. »Ja.«
    Doch bevor er explodieren konnte, was, wie ich wusste, kurz bevorstand, fügte ich schnell hinzu: »Sonst hätte ich nie beweisen können, was Mr. Mueller in Wirklichkeit in seiner Freizeit so treibt. Keiner wollte glauben, dass er und Hannah …« Ich verstummte, denn als ich ihm ins Gesicht schaute, sah ich, dass sein Mund nur noch ein dünner, gerader Strich war, so wie mein EKG an jenem Tag, als ich in seine Welt hinabstürzte. Und das war nicht gut. Überhaupt nicht.
    »Aber ich hätte nie geglaubt, dass es so schlimm werden würde«, führte ich hastig weiter aus. »Ich übernehme die volle Verantwortung für alles, was an diesem …«
    Johns Griff wurde fester. »Wieso hast du dich überhaupt erst in so eine gefährliche Situation gebracht?«, bohrte er nach. »Noch dazu für so was Bescheuertes? Hast du auch nur die geringste Ahnung, was alles hätte passieren können?«
    Mittlerweile schon. Damals jedoch nicht, sonst hätte ich es erst gar nicht darauf ankommen lassen.
    »Aber«, widersprach ich und versuchte, mich loszumachen, »es ist doch gar nicht besonders viel pass …«
    »Du hättest gar nicht in diesem Zimmer sein dürfen«, sagte er durch zusammengebissene Zähne. »Genauso wenig, wie du jetzt hier sein solltest.« Dann zerrte er mich vom Mausoleum weg. »Die Friedhofstore sind nachts geschlossen!«, brummte er, während die Flammenbaumblüten unter seinen Stiefeln nur so krachten.
    Aber ich hörte ihn kaum. Es war mir schon einmal gelungen, ihm zu entkommen – und dem Tod. Allerdings waren dafür die Defibrillatoren und Adrenalinspritzen in der realen Welt

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