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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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Verantwortung für das, was er tut. Immer ist ein anderer schuld. Oft wird die Schuld sogar noch dem Opfer in die Schuhe geschoben.«
    Schlampe. Hure. Lügenmaul .
    Nun, ich machte Mr. Mueller voll und ganz verantwortlich für das, was mit Hannah geschehen war.
    In dem Moment, als er mir sagte, ich solle mich entspannen, und seine Hand nach mir ausstreckte – um mir den Nacken zu massieren, wie ich in dem Moment dachte; doch dann musste ich feststellen, dass er etwas ganz anderes im Sinn gehabt hatte –, passierte es. Man sieht es auf dem Video: ich, wie ich an seinem Schreibtisch lehne und mir einrede, ich hätte die Situation unter Kontrolle (einmal, als ich und Mom nach einer Vorstandssitzung auf Dad warteten, zeigte mir sein Fahrer, ein Ex-Cop, ein paar Selbstverteidigungstechniken für den Fall, dass ich sie einmal brauchen sollte), und mir gegenüber Mr. Mueller, dessen Hand sich gerade auf mein Gesicht zubewegt.
    Und im nächsten Augenblick ist Mr. Mueller verschwunden.
    Nicht im wörtlichen Sinn natürlich, sondern auf dem Video: Plötzlich erscheint ein schwarzer Schatten und verdeckt für ein oder zwei Sekunden komplett die Sicht. Als hätte noch eine dritte Person den Raum betreten. Nur leider kann niemand – ganz egal, wie bewandert er in Digitalfilmanalyse ist oder wie viel Geld ihm mein Vater für eine Aussage vor Gericht anbietet – mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass es sich bei diesem Schatten um den Umriss eines jungen Mannes handelt. Großgewachsen, langes dunkles Haar, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt.
    Ein paar Sekunden lang sieht man also rein gar nichts. Der Bildschirm bleibt einfach nur schwarz, und man hört lediglich ein paar gedämpfte Geräusche: ein kurzes Handgemenge, gefolgt von einem furchtbaren Krachen, dann ein paar gemurmelte Worte.
    Im nächsten Moment ist der Schatten weg, und ich stehe immer noch an exakt derselben Stelle wie zuvor. Nur Mr. Mueller steht nicht mehr mit ausgestreckter Hand vor mir, sondern lehnt zusammengekrümmt an der Tafel und presst einen Arm an die Brust.
    Und schreit aus vollem Hals.
    Weil jetzt jeder einzelne Knochen in seiner Hand gebrochen ist, vor allem die Knöchelchen in dem Zeigefinger, mit dem er den Kekskrümel von meinem Knie gekratzt hat. Sie waren nur noch Brei.
    Die Polizei von Westport sagte, es wäre »unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich«, dass ein Mädchen von meiner Statur einem erwachsenen Mann eine solche Verletzung zufügen könnte.
    Unglücklicherweise schwört der Hausmeister, Mr. Marzjak, Stein und Bein, er habe niemanden den Raum betreten oder verlassen sehen; nur die Sanitäter, die er wenige Minuten zuvor selbst alarmiert hatte, nachdem er ins Klassenzimmer gekommen war und Mr. Mueller sich vor Schmerzen windend vorgefunden hatte.
    Mr. Marzjak hatte den Tumult von draußen gehört, als er gerade den Gang wischte, was auch der Grund war, warum Mr. Mueller die Hand nach mir ausgestreckt hatte: Noch bevor irgendetwas passiert war, hatte er gemerkt, dass der Hausmeister draußen auf dem Flur zugange war, und wollte mir den Mund zuhalten. Aus Angst, ich könnte anfangen zu schreien.
    Die Polizei glaubte die Geschichte von meiner Attacke nicht, die ihnen Mr. Mueller laut Protokoll »äußerst erregt« vorgetragen hatte. Sie glaubten ihm so wenig, dass sie das gesamte Schulgebäude samt Gelände nach Hinweisen auf die »Beteiligung Dritter« absuchten, noch bevor sie die Digitalkamera in meinem Rucksack entdeckten und sich das Video ansehen konnten.
    Aber sie fanden keinen Dritten. Wegen des Regens hätte jeder, der den Raum im ersten Stock durch das Fenster verlassen hätte, unweigerlich Spuren hinterlassen. Aber die nasse Erde unter dem Fenstersims war vollkommen unberührt.
    Natürlich fanden sie keine Beweise. Warum sollte John auch welche hinterlassen? Warum sich mit Türen oder Fenstern abmühen wie ein normaler Mensch? Warum extra »Hallo« sagen?
    Er machte nur kurz Puff!, dann machte es Krach! und dann Tschüss.
    Außer, dass er nicht einmal »Tschüss« gesagt hatte.
    Allerdings nahm er sich die Zeit, um mir aus seinen Silberaugen noch einmal einen bitterbösen Blick zuzuwerfen, bevor er verschwand.
    »Warte«, hatte ich gesagt, nachdem er aus dem Nichts aufgetaucht war. Blitzschnell hatte er einen Schritt in Mr. Muellers Richtung gemacht und seine Hand gepackt, um sie mit so gewaltiger Kraft zu verdrehen, dass unser bestens trainierter Basketballcoach vor mir in die Knie ging. Und es war immerhin

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