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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Cabot
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sagte.
    Dass er eine Affäre mit einer seiner Schülerinnen gehabt und sie seinetwegen Selbstmord begangen hatte, glaubte natürlich niemand an der Schule. Niemand außer mir. Die Klage von Mr. und Mrs. Chang hatte ihn sogar noch beliebter werden lassen. Besorgt darüber, wie blass er wegen all der Aufregung um das Gerichtsverfahren unter seinem Ziegenbärtchen geworden war, fingen einige der Schülerinnen und Mütter an, noch eifriger für ihn zu backen. Ein paar Cheerleaderinnen hatten sich sogar einen neuen Tanz ausgedacht, um ihre Solidarität mit Mr. Mueller zu bekunden. Sie nannten ihn den Mueller-Shout-Out und führten ihn seitdem bei jedem Spiel und jeder Schulveranstaltung auf.
    Und das war noch nicht mal so schlimm wie die Schimpfworte, mit denen Hannah manche im Internet bedachten: Schlampe. Hure. Lügenmaul.
    Hannahs Selbstmord war also nicht genug gewesen. Sie wollten auch noch ihr Andenken töten. Und die Direktion hatte Mr. Mueller nicht einmal vom Unterricht suspendiert, auch nicht vorübergehend. Wahrscheinlich konnte sie das auch nicht, weil es dann vielleicht so ausgesehen hätte, als würde sie Partei ergreifen.
    All das ließ mich rotsehen. Wortwörtlich. Jeden Tag, wenn ich durch die Gänge der Westport Academy for Girls ging, sah ich es, wohin ich auch schaute: Rot. Rot wie die Flammenbaumblüten auf dem Friedhof. Rot wie die Fransen an meinem Schal.
    Woran ich wahrscheinlich merkte, dass mir das alles weit über den Kopf gewachsen war, noch bevor Mr. Mueller an jenem Nachmittag das Deckenlicht ausmachte. Mein Herz schlug so heftig in der Brust, dass ich kaum atmen konnte, und dabei hatte Mr. Mueller noch nicht einmal einen Annäherungsversuch gemacht.
    Wie sollte die Kamera in meinem Rucksack – deren Linse durch das Loch nach draußen schaute, das ich eigens zu diesem Zweck in die Außentasche geschnitten hatte, ganz wie ich das im Internet nachgelesen hatte – in diesem Halbdunkel irgendetwas aufzeichnen? Denn draußen zog zu allem Überfluss auch noch ein Frühlingsgewitter herauf.
    Was ich tun wollte, nachdem ich ihn bei seinem unsittlichen Verhalten gegenüber einer Schülerin gefilmt hatte, hatte ich mir auch noch nicht überlegt. Wahrscheinlich hatte ich vorgehabt, so etwas zu sagen wie: »Ach, Mist. Da fällt mir ein, ich habe heute ja noch einen anderen wichtigen Termin. Jetzt muss ich aber wirklich los. Tschühüss!« Wie sonst sollte ich aus der Situation wieder rauskommen, ohne – nun ja, es mit ihm zu tun?
    So weit durfte ich es nicht kommen lassen. Ich musste die Situation unter Kontrolle behalten.
    Wir sollten uns doch gegenseitig den Nacken massieren, sagte Mr. Mueller. Er wisse, wie angespannt ich sein müsse wegen all der Probleme zu Hause, meinte er. Wegen der Scheidung meiner Eltern, die durch die Presse gegangen war, wegen all des Geldes, um das verhandelt wurde, und der Position, die mein Vater bei seiner Firma innehatte. Ich müsse genauso gestresst sein wie er, hatte Mr. Mueller gesagt. Aber das wäre schon in Ordnung. Wir wären schließlich beide erwachsen. Also könnten wir doch einfach dazu stehen, dass wir uns zueinander hingezogen fühlten.
    Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich es nicht durchstehen würde. Die Kamera würde wegen der schlechten Lichtverhältnisse so gut wie nichts aufzeichnen, weshalb die ganze Sache umsonst war. Schließlich ging es hier um genau das, was die Changs nicht hatten: Beweise. Und jetzt, da ich mit ihm allein war, würgte es mich schon bei der Vorstellung, dass er mich berühren könnte, und sei es nur am Nacken. Und das Schlimmste daran war, dass niemand mir glauben würde. Warum auch?
    Das war es wahrscheinlich, was mich wütend machte. So rasend, dass der Rand meines Gesichtsfelds rot wurde.
    Oh nein .
    Wenn man sich die Aufzeichnungen von den Geschehnissen in Mr. Muellers Klassenzimmer an jenem Tag anschaut, sieht man wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht viel mehr als die weiße Bluse meiner Schuluniform und Mr. Muellers Arm, der sich in Gestalt eines schwarzen Schattens auf mich zubewegt. Man hört noch, wie er zu mir sagt, es würde alles gut werden. Ich solle mich einfach entspannen.
    Ich hasse es , wenn Leute mir sagen, ich sollte mich doch einfach entspannen.
    Hatte er dasselbe auch zu Hannah gesagt? Bestimmt.
    Die Ränder meines Gesichtsfelds wurden dunkelrot.
    »Es gibt keine Verantwortung mehr, Pierce«, sagte Dad gerne während unserer gemeinsamen teuren Mittagessen. »Keiner übernimmt mehr die

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