Jenseits
Friedhof herum wegen etwas, das John getan hatte? Sie würde nass werden bis auf die Knochen, das war das Einzige, was dabei herauskommen würde.
Dieser Ort ist nichts für dich .
Hoffentlich galt das nur für mich und nicht auch für Jade.
»Ich glaube, es ist keine gute Idee, wenn Sie …«, sagte ich gerade, aber Mr. Smith fiel mir ins Wort.
»Das nenne ich doch einen ehrenhaften Einsatz«, meinte er. »Sie sind also mit Rodriguez und Poling für den Rest des Abends auf Patrouille?«
»Bis ein Uhr morgens«, gab sie fröhlich zurück. »Die beiden fahren in ihrem Streifenwagen.« Sie schnitt eine kleine Grimasse und deutete in meine Richtung. »Wie kleine Babys in ihrem kuschligen warmen Kinderwagen.«
Doch mir war nicht nach Lachen zumute. »Im Ernst«, beharrte ich, »ich glaube wirklich, Sie sollten …«
»Und ich glaube, heute Nacht wird wegen des Regens nicht das Geringste passieren«, schnitt mir der Friedhofsaufseher erneut das Wort ab. »Aber Poling und Rodriguez haben den Schlüssel zu meinem Büro, falls Sie irgendetwas brauchen sollten. Und der Polizeichef hat selbstverständlich auch meine Privatnummer. Also dann, viel Vergnügen. Und passen Sie auf sich auf.«
Jade salutierte grinsend und radelte davon.
Mr. Smith schloss das Wagenfenster, und ich schaute Jade hinterher.
»Warum haben Sie nicht darauf bestanden , dass sie mit uns kommt?«, fragte ich in anklagendem Tonfall. »Das ist doch total bescheuert, bei dem Wetter mit dem Fahrrad …«
»Heute dürfte die sicherste Nacht während des gesamten Überwachungszeitraums sein, und Jade kann sich glücklich schätzen, genau diese erwischt zu haben, wenn sie schon an dieser idiotischen Maßnahme teilnehmen muss«, erklärte er. »Lehrkörper- und Polizeiaufgaben einfach zu vermischen, welch ein Unfug! Fällt den Schulen heutzutage denn gar nichts Vernünftiges mehr ein?«
»Jade ist keine Lehrerin«, widersprach ich und schaute immer noch dem Blinklicht ihres Fahrrads hinterher. »Sie ist Sozialarbeiterin. Und sie ist echt nett. So was Bescheuertes.«
»Es spielt wirklich keine Rolle, Kind. Niemand wird sich heute Nacht draußen herumtreiben. Und was meinten Sie damit, ich hätte darauf bestehen sollen? Sie sind mir schon ein seltsames Mädchen, Miss Oliviera. Wie, glauben Sie, könnte man eine Frau wie Jade dazu bewegen, irgendetwas gegen ihren Willen zu tun? Sie haben sie doch gesehen: Sie amüsiert sich prächtig. Und es wird ihr genauso wenig passieren wie Ihnen während Ihrer zahlreichen Ausflüge auf meinen Friedhof. John wird dafür Sorge tragen. Ganz bestimmt.«
»John hat mir gesagt, der Friedhof wäre kein sicherer Ort«, widersprach ich. »Erst letzte Nacht. Er hat gesagt, ich soll nie wieder hierherkommen. Wenn ich es tue, wäre ich tot. Für immer diesmal. Und dann hat er das Tor eingetreten.«
Mr. Smith kicherte. »Das sieht ihm ähnlich. War das vor oder nachdem er die Halskette weggeworfen hat?«
»Das ist überhaupt nicht komisch«, fauchte ich ihn an. »Warum sollte er behaupten, der Friedhof wäre nicht sicher, wenn er es nicht auch so meint?«
»Er meinte, der Friedhof sei für Sie nicht sicher«, erklärte der Küster. »Weil Sie ihn wohl derart auf die Palme gebracht haben, dass es ihn durchaus in den Fingern gejuckt haben mag, Sie zu töten. Aber das meinte er natürlich nicht ernst. Er hat nur ein wenig übertrieben, um seiner Aussage etwas Nachdruck zu verleihen. John hat noch nie eine Frau getötet, nicht dass ich wüsste zumindest. Und falls er jetzt damit anfangen sollte, dann wahrscheinlich mit Ihnen, und nicht mit dieser Sozialarbeiterin. Um Himmels willen, lernen Sie denn wirklich überhaupt nichts Brauchbares mehr in der Schule? Haben Sie schon einmal den Ausdruck ›Hyperbel‹ gehört? Ich würde Ihnen sehr ans Herz legen, Miss Oliviera, das Wort einmal nachzuschlagen, falls Sie vorhaben, eine Beziehung mit einem Totengott einzugehen.«
Danach hatte ich es aufgegeben.
Ich räumte das Geschirr weg, unternahm einen halbherzigen Versuch, meine Hausaufgaben zu machen – ich musste zumindest so tun , als würde ich es probieren –, und schaltete den Elf-Uhr-Wetterbericht im Fernsehen ein: Isla Huesos lag jetzt mitten im Zentrum des Kegels. Der Wetterfrosch sprach zwar immer noch von »Vorwarnstufe«, und es wurden auch noch keine Evakuierungsmaßnahmen eingeleitet, aber die Behörden gaben die Meldung durch, dass Bürger in »niedrig gelegenen oder hochwassergefährdeten Gegenden« bitte
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