Jerry Cotton - 0501 - Hochzeitsnacht mit einem Moerder
freue mich, daß Sie gekommen sind«, sagte er mit viel Vibrato in der Stimme. Er führte das Mädchen zu seinem Tisch. Mit einem unterdrückten Seufzer stellte er fest, daß das Girl stämmige Beine besaß. Boyce hatte das Mädchen bisher nur hinter einer Theke gesehen, und er hatte sich der Hoffnung hingegeben, die verdeckte Hälfte möge etwas besser ausgefallen sein als die reizlose obere Etage.
Das Mädchen pflanzte sich auf einen Stuhl, stemmte die Ellbogen auf, bohrte den BUck in Boyces Augen und erklärte: »Ich muß sofort wieder gehen.«
»Ich freue mich, daß Sie gekommen sind.« Vor drei Stunden hatte Allan Boyce die Bekanntschaft des Mädchens gemacht. Er hatte die Filiale der Trade-Bank in der 3. Avenue betreten, hatte sich von dem Mädchen über die Einrichtung eines Scheckkontos beraten lassen und hatte es gebeten, ihn in der Mittagspause in diesem Drugstore zu treffen, der der Bank gegenüberlag.
»Was darf ich Ihnen bestellen?«
»Nur einen Fruchtcocktail. Ich muß auf meine Figur achten.«
Schon zu spät, dachte Boyce, behielt aber sein Lächeln bei. »Wollen Sie mir nicht Ihren Namen nennen?«
Sie zierte sich. Schließlich gestand sie, Mary Caddick zu heißen. Noch bevor ihre Mittagspause vorüber war, hatte Boyce sie dazu gebracht, ihn Al zu nennen und sich für den Abend mit ihm zu verabreden. Während er sie zum Ausgang brachte, rechnete er, daß er sie in spätestens achtund vierzig Stunden weit genug hatte, um von ihr den Stand eines bestimmten Kontos zu erfahren.
***
Ungefähr zur gleichen Zeit, in der Boyce am Abend vor dem Eingang zum Norgate-Theater auf Mary Caddick wartete, betrat der Mann im Trenchcoat mit dem tief in die Stirn gezogenen Hut und der dunklen Brille einen kleinen Bungalow. Das Haus war vor kurzer Zeit in einer rosa Farbe gestrichen worden. Es lag in der Caney-Street im Stadtteil Rosedale, an der Stadtgrenze von Greater New York.
Im Wohnraum fuhr ein großer Mann, dem die Haare tief in die Stirn hingen, von der Couch hoch. Er trug einen weiten Rollkragenpullover, zerbeulte Hosen und Sandalen an den nackten Füßen.
»Hallo Jack«, sagte der Besucher, schob den Hut ins Genick und nahm die Brille ab. »Wie geht es dem großen Romanschriftsteller?«
Der andere strich sich die langen Haarsträhnen aus der Stirn »Nimm mich nicht auf den Arm«, protestierte er mit einer zu hohen, fast weibischen Stimme. »Warum kommst du überhaupt? Es ist gegen die Verabredung. Ich habe mein Teil geleistet.«
Der Besucher schnippte mit den Fingern. »In deinem ganzen Leben hast du bisher nicht soviel geleistet.« Er wiederholte das Fingerschnippen. »Du hast deiner Claire so lange Blumen geschickt, bis sie weich war, hast vor dem Friedensrichter ja und bei der Polizei nein gesagt. Damit war die Sache für dich abgetan. Leider stochern die Schnüffler inzwischen in unseren hübschen Unglücksfällen herum.«
»Heißt das, wir müssen sofort flüchten?«
»Genau das Gegenteil, Jack Dale!« Er stieß seinen Zeigefinger gegen den Pulloverträger. »Die Polizisten stolpern darüber, daß die Witwer mehr oder weniger verschwunden sind. Also müssen wir einige wieder auftauchen lassen, um zu beweisen, daß es sich um ehrsame, brave Männer handelt, denen das große Unglück widerfuhr, ihre Lebensgefährtinnen nach kurzer Ehe zu verlieren. Du wirst also auf der Bildfläche erscheinen und deiner Trauer um deine abgestürzte Fliegerin heftig Ausdruck verleihen.«
Dale fuhr sich nervös mit der Hand über das Gesicht. »Laß mich hinaus! Ich.habe nicht die Nerven, noch einmal ein Verhör zu überstehen.«
»Spiel nicht den sensiblen Dichter. Dir kann überhaupt nichts passieren. Der Unglücksfall ,Claire Dale’ ist rechtskräftig abgeschlossen. Die alten Schnüffler können dich nur höflich um einige Auskünfte bitten.«
»Wer führt die Untersuchung?«
»Die Versicherungen haben das FBI aufgehetzt!«
»G-men?« kreischte Jack Dale. »Den Jungens sind wir nicht gewachsen. Laß uns türmen!«
»Kommt nicht in Frage, Jack! Erst landen wir noch unseren größten Fischzug. Im Vergleich zu dieser Beute war alles andere Kleinkram.«
Dale entnahm einem Etui eine Zigarette und zündete sie hastig an. »Ich kann doch nicht einfach zum FBI gehen und mich melden.«
»Ich bin sicher, daß in deinen Schubladen irgendwelche Schreiberei liegt. Ruf eine Zeitung an und verkaufe ihnen das Zeug. Wenn der Artikel dick genug mit deinem Namen gezeichnet wird, hoffe ich, daß er einem G-man ins Auge
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