Jerry Cotton - 0505 - Flirt mit dem Verderben
tödliches Licht. Im Rausch erscheint ihnen die Welt in einem strahlenden Glanz. Sie wollen diesen strahlenden Glanz nicht mehr missen, werden magisch von ihm angezogen. Und gewissenlose Gangster machen damit ihre Geschäfte!«
Natürlich hatte der Chef recht. Viele Menschen können es nicht verstehen, daß der Staat ihnen verbietet, sich in einen Rauschzustand zu versetzen. Sie argumentieren, es sei jedermanns eigene Angelegenheit, was er mit seinem Körper und seiner Gesundheit macht. Daß jeder Süchtige, ohne Ausnahme, zum Ruin verurteilt ist, sehen sie nicht.
Wir sehen es immer wieder.
Zuletzt sahen wir es, als wir am Vormittag in der Leichenhalle vor dem leblosen Körper des Mannes standen, der sich im LSD-Rausch mit Auspuffgasen das Leben genommen hatte.
John Keever.
Gestern noch ein erfolgreicher Geschäftsmann.
Dann zum Tode verurteilt und hingerichtet durch eine gewissenlose Verbrecherbande, die sich an der menschlichen Schwäche bereichern wollte.
»Wir können Tim Sharkey und seine Gang festnehmen, Mr. High«, sagte ich hart in das Schweigen hinein. »Clinchs Aussage reicht wohl als Beweis. Soll ich vorher einen Haftbefehl beantragen, oder…«
»Nein«, sagte Mr. High. »Wir wollen keine Zeit verlieren. Das mit dem Haft- und Durchsuchungsbefehl veranlasse ich von hier aus. Sie haben alle Vollmachten. Was brauchen Sie?«
Ich schaute schnell meinen Freund Phil an. Er verstand meine unausgesprochene Frage und nickte mir zu.
»Nichts, Mr. High«, antwortete ich. »Phil und ich machen das allein. Wir wollen nicht zuviel Aufsehen erregen, falls Sharkey oder einige seiner Leute nicht in der Wohnung sind.«
»Verstehe«, sagte der Chef kurz.
Er nickte uns aufmunternd zu.
***
Langsam und leise gingen wir durch den langen, blankgeputzten Gang und schauten auf die Nummernschilder der Türen.
»24 A« leuchtete es uns golden entgegen.
Wir hielten den Atem an und lauschten. Aus Sharkeys Apartment kam kein Laut.
Phil zog die Nase kraus und machte mit beiden Händen eine flatternde Bewegung. Ausgeflogen, sollte das heißen.
Ich zuckte mit den Schultern und legte ein Ohr an die Tür.
Nichts war zu hören.
Ich drehte mich zu Phil um und machte ebenfalls die flatternde Bewegung.
»Also…« sagte er.
Und in diesem Moment hörte ich etwas. Schnell hob ich die Hand. Phil verstand den Wink und hielt schnell die Luft an.
Im Apartment gab es einen leisen Knall.
Ich legte meinen Zeigefinger auf den Klingelknopf aus weißem Plastik. Obwohl Sharkeys Klingel aus einem dieser dezent summenden Knarrer bestand, kam mir das Geräusch vor wie die berühmten Posaunen von Jericho.
***
Zwei Männer, die trotz der vorwinterlichen Kälte und des aus dem Sturmtief über den Großen Seen über das Land und die Stadt fauchenden steifen Windes gelbe Panamahüte mit grellfarbigen Bändern trugen, saßen in dem Corvair, der langsam in die Straße einbog, in der das Haus mit Sharkeys Apartment stand.
Jeder der beiden Männer hielt eine frisch angerauchte Zigarette zwischen den Lippen, und beide schauten sie mit zusammengekniffenen Augen durch die Frontscheibe.
»Miese Gegend«, meinte der eine.
»Straße ist mit zehn Cops abzuriegeln!« brummte der andere mißbilligend.
»Nummer 486 muß links sein«, verkündete der erste.
»Ja, das sechste oder siebente Haus«, gab der zweite sein Wissen kund.
Der Corvair rollte langsam auf der rechten Fahrspur weiter und wurde von unzähligen anderen Fahrzeugen überholt.
»Viel zuviel Verkehr hier«, brummte der Mann am Steuer.
»Keine Übersicht!« bestätigte der Nebenmann.
Dann fiel ihm plötzlich die Zigarette aus dem Mund, weil er nach hinten in das Polster geschleudert wurde. Die Funken stäubten über seinen Anzug. Hastig wischte der Mann die Glutreste weg. »Bist du verrückt?« fragte er dann aufgebracht.
»Schau rückwärts!« rief der Mann am Steuer, während er die Geschwindigkeit des Wagens noch weiter erhöhte, wobei er sich mit Brachialgewalt in den Verkehrsstrom auf der mittleren Spur einreihte.
Wütend tönten die Hupen der Fahrzeuge hinter dem Corvair.
»Verdammt, der rote Jaguar!« jammerte der Mann auf dem Beifahrersitz. »Jetzt haben ihn die Greifer! Was tun wir?«
»Soll der Boß bestimmen!« knurrte der Fahrer des Corvair. »Wir rufen ihn an!«
***
»Ja, ja, ja…« ertönte eine Stimme aus dem Apartment.
Schnelle Schritte kamen zur Tür. Die ganze Sache erschien mir reichlich seltsam. Ich warf noch einmal einen Blick auf die Apartmentnummer.
Es
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