Jerry Cotton - 0506 - Der Toeter und die grosse Angst
unterhalb der Gürtellinie treffen. Der Türrahmen behinderte mein Ausweichmanöver, und ich verzog schmerzhaft das Gesicht, als seine eisenharte Faust einen Teilerfolg verbuchen konnte.
Mit zwei Schritten war ich in der Diele. Der Bursche setzte sofort nach. Er war enorm schnell auf den Beinen und verfügte über einen trockenen harten Punch.
Ich konterte rasch und gezielt. Er schluckte zwei Schwinger, die ihn etwas vorsichtiger werden ließen. Trotzdem entwickelte er ein erstaunliches Tempo.
Doreen Newton war in das Wohnzimmer geflüchtet. Mir war klar, daß sie nach einer Möglichkeit suchte, ihrem Komplicen zu helfen. Ich drehte auf und trieb den Mann jetzt mit einer harten Schlagserie vor mir her. An seinem Gesicht sah ich, wie sehr ihn die Entwicklung der Auseinandersetzung überraschte. Er hatte alles auf die Wirkung seines Blitzangriffes gesetzt und mußte nun erkennen, daß er falsch spekuliert hatte.
Ich kam zweimal mit einer geraden Linken durch. Beide Treffer zeigten Wirkung. Nach Art eines angeschlagenen Kämpen legte er noch einmal wild los, aber er hatte die Übersicht verloren und stürmte geradewegs in eine volle Rechte hinein. Ich traf ihn genau auf den Punkt. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und ging dann zu Boden.
Hinter mir hörte ich ein Geräusch. Das Mädchen hatte die Wohnungstür geöffnet und wollte verschwinden. In der Hand hielt sie eine schwarze Collegemappe.
Ich riß das Mädchen so heftig zurück, daß sie ins Stolpern geriet und die Mappe fallen ließ.
Der Verschluß öffnete sich, und ein paar dicke Geldbündel purzelten auf den Boden.
Doreen Newton begann zu zittern. Sie wich bis an die Wand zurück und begann plötzlich zu weinen. »Er hat es getan!« stieß sie hervor. »Er hat ihn erschossen. Ich war dagegen! Ich wollte nur das Geld stehlen… aber er bestand darauf, Randolph zu töten!«
»Wo ist die Pistole?« fragte ich.
»Sie ist noch in der Berry Street. Gerry hat sie in der Mansarde versteckt.«
»Ist er tatsächlich Ihr Bruder?«
»Nein.«
»Gehen Sie ins Wohnzimmer!«
Doreen gehorchte. Sie war plötzlich am Ende ihrer Kraft angelangt. Ich klopfte den Mann nach Waffen ab. Er hatte keine bei sich. Er war schon wieder bei vollem Bewußtsein, aber ihm fehlte noch die Kraft, sich zu erheben. Ich schleppte ihn ins Wohnzimmer. Doreen saß kerzengerade in einem Sessel. Ihr starrer Blick ging ins Leere. Ich trat ans Telefon und nahm den Hörer ab. Dann wählte ich Lieutenant Hastings' Nummer.
***
»Hallo, Boß!« sagte Lanny, als er Rod Gayers großes Office betrat.
Gayer war diesmal nicht allein. Auf der marmornen Fensterbank saß Pinky Berger, einer seiner Gorillas.
Es war nur wenige Minuten nach neunzehn Uhr. Gayer schaute kurz von seiner Arbeit hoch und wies auf den Besucherstuhl am Schreibtisch. Lanny setzte sich. Er hatte einen neuen Anzug an. Den silbergrauen Zweireiher mit dem verdächtigen Blutfleck hatte er vor einer Stunde verbrannt. In Lannys Knopfloch steckte auch wieder eine weiße Gardenie. Er fand, daß er es sich leisten konnte, elegant und repräsentativ aufzutreten.
Gayer benahm sich fast so, als sei er völlig allein. Er füllte einen Papierbogen mit allerlei Zahlen und Berechnungen aus. Pinky Berger schaute unbeteiligt aus dem Fenster und rührte sich nicht.
Lanny Stratwyck beschlich plötzlich ein Gefühl des Unbehagens. Irgend etwas war anders als Sonst. Okay, er war empfangen und sofort vorgelassen worden, aber er vermißte die übliche Aufmerksamkeit.
Verdammt, er fühlte sich fast wie ein Held, er hatte dem Unternehmen die notwendige Anfangsgeschwindigkeit gegeben. Rod konnte mit ihm zufrieden sein. Warum legte er nicht endlich diese idiotische Akte beiseite und hörte sich an, was er zu berichten hatte?
Gayer trug heute seine schwarze Hornbrille. Die Brille machte ihn gewiß nicht schöner, aber sie verlieh ihm einen Hauch von Intelligenz. Gayer arbeitete schweigend und konzentriert. Außer seinem schnaufenden Atem waren nur noch das leise Rauschen der Klimaanlage und das Ticken einer Uhr 7.11 hören.
Lanny entspannte sich. Er hatte schließlich Zeit und konnte warten.
Minute um Minute verstrich. Nach einer Viertelstunde legte Gayer den bekritzelten Papierbogen zur Seite. Er nahm die Brille ab und verstaute sie in einem Etui aus Schlangenleder.
»So, mein Junge«, sagte er. Die Worte klangen nicht sehr freundlich, aber auch nicht gerade feindselig. Lanny spürte erneut ein Gefühl des Unbehagens. Er war jetzt ganz
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