Jerry Cotton - 0508 - Die Bombe tickt
Derrington. »Wenn du nicht bis mittags schlafen würdest, hättest du die Geschichte schon in den Morgenzeitungen lesen können!«
»Tot!« wiederholte Rita Felloni. Sie setzte sich auf einen Stuhl und schaute aus dem kleinen Fenster in den makellosen blauen Morgenhimmel. »So mußte es ja einmal kommen!«
Derrington knipste gleichgültig mit den Fingern. »Das war sein Berufsrisiko, nicht wahr?«
Rita Fellonis Kopf zuckte herum. Sie starrte den Besucher feindselig an. »Du bist schuld daran! Du hast Roger dazu angestiftet!«
»Das hat er dir gesagt?« erkundigte sich Derrington mit überraschend milder Stimme.
»Ich weiß, daß er in deinem Aufträge nach Chicago gefahren ist.«
Derrington nickte. Es sah beinahe traurig aus. »Ich befürchtete es«, sagte er.
Rita Felloni merkte plötzlich, daß es sie kalt überlief' Ihr dämmerte, daß sie einen Fehler gemacht hatte. »Natürlich wird das kein Mensch von mir erfahren«, versicherte sie hastig.
Derrington nickte abermals. Das Knacken seiner Fingergelenke machte Rita Felloni nervös. »Roger war ein Killer«, sagte Derrington langsam. »Wußtest du das nicht? Ich habe ihn gefragt, ob er bereit sei, den Job zu übernehmen, und er sagte ja.«
»Den ,Job‘!« sagte das Mädchen impulsiv. Sie vergaß die plötzlich aufkommende Furcht. »Es ging um ein Menschenleben! Aber das bedeutet dir wohl ebensowenig, wie es Roger etwas bedeutet hat. Ich bin nicht traurig, daß Roger tot ist. Leute seines Schlages verdienen kein anderes Schicksal.«
»Das bezieht sich also auch auf mich?« fragte Derrington sehr sanft.
»Rede doch keinen Unsinn!« meinte das Mädchen. »Du bist kein Killer.«
»Wer sagt dir das denn?«
»Wenn du einer wärst, hättest du den Auftrag nicht an Roger gegeben.«
Derrington lächelte spöttisch. »Schäfchen! Ich brauchte eben ein Alibi.«
»Ich möchte nicht, daß du so mit mir sprichst«, sagte Rita heftig. »Ich bin keine Gangstermolly, Ralph! Es stimmt zwar, daß ich Roger kannte, aber ich habe ihn nie geliebt. Willst du wissen, weshalb ich immer wieder mit ihm ausging? Ich hatte Angst vor ihm. Ich fürchtete, er würde mir etwas antun. Ich war einfach feige…«
»Angst ist ein gefährlicher Gegner«, meinte Derrington nachdenklich. »Wir alle erliegen ihr von Zeit zu Zeit. Ich habe gerade einen G-man erledigt. Warum ich das getan habe? Aus Angst, nehme ich an. Ich fürchtete wohl, er würde dich ausquetschen und von dir meinen Namen erfahren.«
»Erledigt?« fragte Rita verwirrt. »Wie soll ich das verstehen?«
Derrington zuckte mit den Schultern. »Er lebt noch, Baby. Aber nicht mehr lange. Ich muß reinen Tisch machen. Das betrifft auch eine gewisse Rita Felloni!«
Das Girl krallte sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. Entsetzt starrte sie Derrington an. »Roger machte manchmal so grausame Witze«, sagte sie heiser. »Ich konnte nie darüber lachen. Ich kann es auch diesmal nicht.«
Derrington stand auf. »Sorry, Rita, aber ich muß dich töten! Du wärst einfach außerstande, dem cleveren Bullen zu widerstehen. Du gibst zu, feige zu sein. Feige Menschen quatschen.« Er lachte, beinahe irre.
»Ich schreie!« stieß Rita zitternd hervor. »Wenn du mich anfaßt, schreie ich!«
Sie wußte, daß sie gar nicht die Kraft dazu hatte, ihre Drohung wahrzumachen. Sie wußte auch, daß niemand sie hören würde. Unter ihr wohnte eine alte, schwerhörige Frau. Auch Derrington wußte das. Schließlich gehörte ihm ja dieses Haus!
Er ging langsam um den kleinen Tisch herum. Rita Felloni wich mit weit aufgerissenen Augen vor ihm zurück. Sie prallte mit dem Rücken gegen den großen Kühlschrank. Ihr kam gar nicht der Gedanke, sich gegen den Mann zu wehren. Derrington war breitschultrig, kräftig und robust. Sie hatte gegen ihn nicht die geringste Chance.
Derrington blieb dicht vor dem Mädchen stehen. Eigentlich war es ein Jammer um diese Puppe. Sie war noch immer sehr attraktiv, trotz ihrer achtundzwanzig Jahre. Er haßte diesen Job, aber er hielt es für notwendig, die Sache zu erledigen, und zwar selbst zu erledigen. Er konnte sich keine Panne wie Fulham leisten.
»Nein!« krächzte das Girl und hob abwehrend die Hände. »Nein, nein, nein!«
***
Ich löste den letzten Strick von meinen Füßen und massierte die schmerzenden Knöchel. Ich bin kein Entfesselungskünstler. Aber mein Gegner hatte es mir leicht gemacht. Für das Anlegen der Stricke hatte er sich offenbar nur wenig Zeit genommen. In diesem finsteren
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