Jerry Cotton - 0518 - Hochsaison fuer Killer Joe
»Ich glaube, Irv, du träumst manchmal nachts auch von Edna.«
In Shiggs tiefliegenden Augen flackerte ein gefährliches Feuer auf, aber er bezwang sich. »Wenn du eines Tages auf dem Elektrischen Stuhl sitzt, wird der Henker deiner Zunge doppelten Strom geben müssen, damit du endlich mal schweigst.«
Clark Brusca lachte schallend.
***
Lew Danowsky fuhr in dieser Nacht das Taxi Nr. 36 der South Brooklyn Drivers Corporation. Danowsky war ein schmächtiger unsauberer Bursche, der einige Strafen wegen Diebstahls und Betruges abgesessen hatte. Dibbin hatte ihn als Zuträger und Spitzel in die Corporation gesetzt. Die Driver verachteten und haßten Danowsky. Sie gingen ihm aus dem Wege und hüteten sich, in seiner Gegenwart ihre Meinung über Dibbin und seine Erpressungsorganisation zu äußern.
Irj, Danowskys Schädel kreisten die Gedanken. Dibbins Aufforderung lockte ihn. Ihn reizten nicht so sehr die tausend Dollar, als die Möglichkeit, den Boß auf sich aufmerksam zu machen und auf irgendeine Weise befördert zu werden. Der Gedanke, daß es ihm gelingen könnte, diesen Joe Elzon zu finden, beflügelte ihn zu merkwürdigen Unternehmungen. Bis Mitternacht setzte er dreimal sein Taxi in Gang und fuhr Männern nach, auf die die Beschreibung paßte. Schließlich sagte er sich, daß dieses Verfahren unsinnig war und nichts einbrachte. Er beschloß, einige Freunde in der Unterwelt aufzusuchen, die gut über die drittklassigen Hotels Bescheid wußten, in denen nicht nach Papieren gefragt wurde. Allerdings mußte er diesen Besuch bis in die Morgenstunden verschieben, denn sein Dienst dauerte bis sechs Uhr.
Eine halbe Stunde nach Mitternacht befuhr Danowsky die Fulton Street in Richtung Glendale. Ein Mann stand am Straßenrand, hob eine Hand und pfiff gellend. Danowsky stoppte seinen Wagen vor dem Mann und beugte sich vor. »Wohin, Mister?«
»Fahren Sie zum 39. Brooklyn-Pier!« Der Mann war groß. Er trug einen Hut. So konnte der Taxichauffeur weder seine Haarfarbe noch seine Augen erkennen. Der Mann stieg ein und ließ sich in die Polster des Fonds fallen. Danowsky fuhr an. Er hantierte an dem Innenspiegel und verstellte ihn so, daß er seinen Fahrgast sehen konnte.
Der Mann zeigte nichts von seinem Gesicht. Die Hutkrempe beschattete es auch dann, wenn das Taxi durch den Lichtkreis einer Straßenlaterne glitt.
Obwohl er keinen Grund dazu hatte, schaltete Danowsky die Innenbeleuchtung ein. Gespannt starrte er in den Rückspiegel. Als das Licht äufleuchtete, hob der Mann überrascht den Kopf. Danowsky sah blaugraue, mißtrauisch zusammengekniffene Augen und einen schmalen Mund, in dessen Winkeln sich scharfe Falten abzeichneten.
Der Fahrgast senkte sofort wieder den Kopf. »Zum Teufel! Warum schalten Sie die Innenbeleuchtung ein?«
Das Herz klopfte Danowsky bis zum Halse. »Habe den falschen Knopf erwischt!« stieß er hervor und schaltete die Beleuchtung aus. Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf, aber er erkannte, daß er nichts unternehmen konnte. Wenn dieser Mann wirklich Joe Elzon war, dann war es besser, ihm heimlich zu folgen, sobald er den Wagen verlassen hatte. Auf jeden Fall durfte der andere keinen Verdacht schöpfen.
»Ich wollte das Radio einschalten«, sagte Danowsky.
»Lassen Sie es aus! Ich mag kein Gedudel.«
»Wie Sie wollen, Mister!« Danowsky fuhr schneller.
Zwei Minuten lang herrschte Schweigen im Wagen. Dann fragte der Fremde. »Fahren Sie auf eigene Rechnung?«
Danowsky erschrak, aber er wagte nicht zu lügen. »Die meisten Driver gehören einer Cab Corporation an.«
»Wie heißt Ihre Genossenschaft?«
»South Brooklyn Drivers Corporation.«
Der Fahrgast schwieg. Das Taxi erreichte das Hafengelände von Brooklyn. »Stoppen Sie jetzt!« befahl der Mann im Fond.
Danowsky wandte den Kopf über die Schulter. »Das ist noch nicht der 39. Pier.«
»Macht nichts! Ich kann die paar Schritte zu Fuß gehen.« Der Taxichauffeur gehorchte. Der Fremde stieg aus. »Wieviel?«
»Ein Dollar dreißig!« sagte Danowsky. Er beugte sich vor. Er war besessen von dem Gedanken, dem Mann noch einmal ins Gesicht zu sehen.
»Hier!« Die Hand des anderen hielt ihm zwei Geldscheine hin. Er trug keine Handschuhe. Der Jackenärmel verschob sich bei der Bewegung nach oben. Danowsky sah im Widerschein der Scheinwerfer deutlich die kreuzförmige rötliche Narbe oberhalb des Handgelenkes. Sein Herzschlag setzte aus, aber er glaubte, sich zu beherrschen. Er nahm die zwei Dollar und murmelte heiser: »Hoffentlich
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