Jerry Cotton - 0521 - Ich bluffte John den Racheboss
»Soll das eine Einladung sein?«
Er ging an der hübschen langen Kühlerhaube des Jaguar nach vorn. Schon beim zweiten Schritt dämmerte mir, was er vorhatte. Nun kann mir wirklich niemand nachsagen, daß ich humorlos wäre. Aber ich bin nur ein kleiner Gehaltsempfänger, und die Burschen vom FBI-Rechnungshof sind manchmal mehr als kleinlich. Bis die nachgeprüft haben, ob einem am Privatwagen ein Reifen wirklich während der Dienstausübung und tatsächlich im Zusammenhang mit einem dienstlichen Auftrag zerstochen wurde, kann ein halbes Jahr vergehen. Ich war also flink wie ein Wiesel aus dem Wagen und hinter dem Kerl.
Er bückte sich zum linken Vorderreifen. Mit versonnenem Lächeln begutachtete er das makellose Profil.
»Ich würd’s nicht tun, Mister«, warnte ich freundlich.
Er ging in die Hocke und hielt mir die Klinge seines Messers hin. Mit der rechten Hand, weil ich rechts von ihm stand. Zugleich aber griff er mit der Linken in die Hosentasche und brachte noch so ein verdammtes Ding zum Vorschein.
»Sie werden mir unsympathisch, Mister«, sagte ich.
»Ich finde«, sagte er mit seiner sonoren, überraschend männlichen Stimme, »ich finde, du brauchst eine kleine Lektion.«
Er setzte die Spitze des Messers, das er in der Linken hielt, auf den Reifen. Die Spitze des anderen Messers zeigte zu mir empor! Da er neben dem Rand hockte, spannte sich seine Hose straff über dem Gesäß. Das brachte mich auf den rettenden Einfall. Ich tat, als wollte ich nach der rechten Messerhand greifen. Sein Arm fuhr vor, ich zurück — und im selben Augenblick landete meine Schuhspitze kräftig an seinem verlängerten Rückgrat. Er wurde aus der Hocke hochgehoben und kippte quer über den niedrigen Kühler.
»Nanu?« wunderte sich Phil, der gerade ausgestiegen war. »Ist ihm schlecht geworden?«
»Scheint so«, erwiderte ich und hob das eine Messer auf, das er verloren hatte.
»Übrigens«, sagte Phil, während er ihm den kleinen Finger zurückbog, so daß er das andere Messer loslassen mußte, »die Kraftfahrzeugregistratur hat seine Karte herausgesucht. Er heißt Harry Odgens.«
»Guten Tag, Mr. Odgens«, sagte ich höflich.
Er drehte sich langsam um und richtete sich auf. Dabei schob er die rechte Hand vor. Aber nicht, um mir die Hand zu schütteln. No. Er hatte nämlich einen kleinen 32er Smith and Wesson gezogen. Und die Mündung dieses gefährlichen Spielzeugs setzte er mir auf den Magen.
***
Mit seinem schwerfälligen Gang stolzierte Morella bis in die Mitte des Salons. Er drückte dem Boy, der die Koffer herbeigebracht hatte, zwei halbe Dollar in die Hand und zeigte ihm mit einer Geste, daß er ihn nicht mehr brauchte.
»Sehr hübsch«, flötete das blonde Girl und ließ den Nerz von den schlanken Schultern achtlos auf einen Sessel gleiten. »Wirklich sehr hübsch, Mr. Morella. Wollen wir in der Bar einen Schluck trinken? Der lange Flug hat mich durstig gemacht.«
»Augenblick, Baby«, brummte Morella und marschierte auf eine Tür zu, die rechts vom Salon abführte. Er riß sie auf und sah hindurch. »Nanu!« knurrte er, drehte sich um und stapfte mit schweren Schritten zu einer Tür, die auf der linken Seite des Salons lag. »Verdammt noch mal!« brüllte er gleich darauf.
Das Girl hatte sich malerisch auf einer Couch niedergelassen und zeigte wohlgeformte schlanke Beine bis zwei Handbreit übers Knie.
»Ist irgend etwas nicht zu Ihrer Zufriedenheit, Mr. Morella?« fragte sie mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt.
Morella zeigte zuerst auf die eine, dann auf die andere Tür.
»Weißt du, was da ist? Ein Schlafzimmer mit einem Bett! Und dort? Dasselbe!«
Blondy sah ihn aus großen, blauen unschuldigen Augen an.
»Ist das nicht in Ordnung?«
Morella verdrehte die Augen. Er ließ sich schwer in den nächsten Sessel fallen und seufzte.
»Okay«, knurrte er. »Alles okay, Baby. Hauptsache, dir gefällt’s. Aber jetzt brauche ich einen Drink. Wo, zum Teufel, ist denn hier eine Klingel?«
Der zierliche gepflegte Zeigefinger des Mädchens zeigte mit der rotlackierten Spitze auf eine Stelle dicht vor Morellas Kopf.
»Genau vor Ihnen, Mr. Morella, auf dem Tisch.«
»Tatsächlich«, knurrte Morella und legte seine behaarte breite Hand darauf. Er zog sie erst zurück, als es klopfte. »Herein!« brüllte er und fuhr den eintretenden Etagenkellner an: »Sorgen Sie gefälligst dafür, daß hier ständig Whisky herumsteht!«
»Sehr wohl, Sir!«
»Und Eiswürfel! Und Soda! Und Zigarren!«
»Wird
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