Jerry Cotton - 0524 - Sie starb in meinem Jaguar
hinunter. Ich hatte mir die Karte gut eingeprägt und fand die Schneise, die zu dem zerfallenen Bootshaus führte, auf Anhieb.
Die Schneise war miserabel. Der Jaguar holperte durch eine ununterbrochene Folge von Schlaglöchern, in denen außerdem fußhoch das Wasser stand. Aber die Gegend war bemerkenswert; die Vegetation fast tropisch. Das Bootshaus bestand nur noch aus drei Wänden und einem halben Dach. Üppige Sumpfpflanzen hatten den Vorplatz nahezu vollständig überwuchert. Immerhin konnte ich eine Art Trampelpfad erkennen, der nach knapp zweihundert Yard am Ufer eines Wasserarmes endete. Ich nahm als sicher an, daß die Lagune mit der offenen See in Verbindung stand.
Es war nicht schwierig, die Ereignisse jener Nacht zu rekonstruieren. Im Schutze des Bootshauses hatten die Männer gewartet. Als sie das Motorengeräusch des Bootes vernommen hatten, waren sie zur Lagune hinuntergegangen.
Ich kämpfte mich am Ufer der Lagune entlang. Meine Füße sanken tief in den weichen Boden ein. Das Wasser lief mir in die Schuhe. Dreißig Yard weiter entdeckte ich eine dicke Öllache auf dem grünlichen Wasser. Es war eine schwere, in allen Farben des Regenbogens schillernde Lache. Ich wußte, daß solche Lachen nur von besonders zähem Hydrauliköl verursacht werden. Ich fragte mich, wie tief das Wasser der Lagune sein mochte.
Während ich noch darüber nachdachte, hörte ich Motorengeräusch. Ich ging zur Bootshausruine zurück und sah einen kleinen europäischen Fiat, der die Zufahrtsstraße entlangholperte. Das winzige Auto sprang durch die Schlaglöcher wie ein Gummiball. Geradezu atemlos blieb der Schlitten vor mir stehen, und ihm entstieg Barbara Lentin. Sie lächelte unbefangen. »Ich sehe, Sie haben Wasserland auch ohne mich gefunden.«
»Sind Sie mir nachgefahren?«
Sie zeigte auf den Fiat. »Glauben Sie, ich könnte mit meinem Goliath-Auto den Anschluß halten? Wir waren miteinander verabredet, Mr. Cotton. Ich sollte Ihnen Wasserland zeigen.«
»Entschuldigen Sie! Ich habe unsere Verabredung vergessen. Warum haben Sie mich vor dem Hotel nicht daran erinnert?«
»Sie schienen beschäftigt.«
»Haben Sie inzwischen mit Ihrem Chef gesprochen?«
Ihr Lächeln verschwand. »Wir hatten eine Auseinandersetzung miteinander.«
»Meinetwegen?«
»Auch Ihretwegen, Mr. Cotton, aber Sie waren nicht der einzige Grund unseres Streites.« Völlig unvermutet schoß sie die Frage ab: »Kamen Sie nach Dukewarn, um Hall zu erledigen?«
»Als ich in die Stadt kam, wußte ich nicht einmal, daß es hier einen Hall Gravdale gibt.«
Sie blickte mir in die Augen und kam dabei verdammt nahe an mich heran. »Gravdale fürchtet sich vor Ihnen.«
Ich grinste zu ihr hinunter. »Sieht so aus, als hätte er jeden Grund zur Furcht.«
»Sind Sie ein Polizist, Mr. Cotton?« fragte sie.
Ein dritter Wagen auf der Schotterstraße enthob mich der Antwort. Diesmal handelte es sich um einen roten offenen Wagen, ebenfalls europäischer Herkunft. Ich zeigte mit dem Daumen auf die Bootshausruine. »Ist das der Zielpunkt einer Rallyeetappe?«
Barbara ergriff meinen Arm und drängte sich an mich. »Paco und Bruce!« flüsterte sie. »Auf irgendeine Weise arbeiten sie mit Hall zusammen. Ich habe immer Angst vor ihnen.«
Tatsächlich sahen die beiden Männer, die dem Sportwagen entstiegen, nicht sehr vertrauenerweckend aus. Beide waren mittelgroße, kompakt gebaute Schlägertypen mit überlangen, baumelnden Armen und schweren Fäusten. Der Ältere zeigte ein verschlagenes Gesicht mit tückischen schrägstehenden Augen; der Jüngere eine brutale, viereckige Visage.
»Sind Sie der Mann aus New York?« fragte der Ältere. »Wer hat Sie zu diesem Ort gebracht?«
»Zwei Fragen auf einmal! Welche soll ich zuerst beantworten?«
Er schob den hellen Panamahut aus der Stirn. »Hat Gravdale schon seine Süße auf Sie angesetzt?« Er machte eine Kopfbewegung zu dem Mädchen.
»Die dritte Frage! Am besten warte ich mit den Antworten, bis Sie alle Fragen gestellt haben.«
Er blickte mich überrascht an, stemmte die Hände in die Hüften und lachte los. »Sie brauchen nicht zu antworten. Ich weiß auch so Bescheid.« Er streckte mir die Hand hin. »Ich bin Paco Remac — aber auch das wissen Sie wahrscheinlich.«
Ich nahm seine Hand nicht. Er zog sie zurück und tat, als hätte er nichts bemerkt. »Ich möchte mit Ihnen sprechen, Mr. Cotton! Unter vier Augen!«
»Einverstanden! Wo?«
»Gehen wir ein Stück die Straße hinauf! Bruce kann unterdessen
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