Jerry Cotton - 0524 - Sie starb in meinem Jaguar
das Tonbandgerät schickte?«
»Selbstverständlich! Wundert Sie das, Cossak?«
Seine kleinen Augen flackerten. »Selbstverständlich nicht«, stammelte er. »Ich — ich verstehe nicht, warum er Ihnen ein Tonband schickt, wenn Sie ihn kennen.«
Ich drehte mich an der Lifttür noch einmal um. »Er hält das für seine persönliche Note.«
Ich fuhr zur ersten Etage hoch, schloß die Tür von Nr. 13 auf und schaltete die Deckenlampe ein. Es entstand Durchzug. Die Gardinen vor der offenen Balkontür wehten. »Pfoten hoch, Cotton!« befahl eine Männerstimme hinter den wehenden Gardinen. »Pfoten hoch! Oder es knallt!«
Ich spreizte die Hände zur Seite ab. Der Mann schob sich ins Zimmer. Auf seinem käsigen Gesicht saß ein schiefes Grinsen wie festgeleimt. Er schwitzte. Seine Entenschnabelnase war rot angelaufen. Aber in seiner rechten Hand hielt er eine 37er Hardley-Schnellfeuerpistole.
»Hier gibt es auch nichts mehr zu trinken«, sagte ich.
Vor einer knappen Viertelstunde hatte ich den Mann zum erstenmal gesehen. Barbara hatte mir gesagt, daß er Fred Plate hieß und für Gravdale arbeitete. Mehr wußte ich nicht über ihn, aber Follets Tonband hatte die Stimmen von vier Männern aufgezeichnet. Drei hatte ich gefunden. War Plate der vierte? War er der Mann im Verein, der die schmutzige Arbeit tat?
»Keine falsche Bewegung!« sagte er. »Ich meine es ernst. Ich kann mit diesem Ding umgehen.« Seine Angst und seine Unsicherheit waren nahezu körperlich zu spüren, aber das machte nichts einfacher. Halbstarke Typen wie dieser Plate handeln gerade aus Unsicherheit unberechenbar und sind daher doppelt gefährlich.
»Zieh deine Jacke aus!« stieß er hervor.
»Hältst du mich für eine Strip-Tänzerin?«
Er kam näher, aber er sorgte dafür, daß der Tisch zwischen uns stand. »Jacke herunter!«
Ich knöpfte meine Jacke auf, streifte sie von den Schultern und ließ sie auf den Boden fallen. Er sah, daß er mich zum Gehorsam zwingen könnte, und bekam Oberwasser. »Sehr gut! Ich mag nicht, wenn jemand seine Kanone verdeckt unter der Jacke ziehen muß. Jetzt faß dein Schießeisen mit zwei Fingern an, zieh es aus der Halfter und laß es fallen. Wenn du einen dritten Finger dranlegst, schieße ich.«
Ich sah ein, daß ich irgend etwas unternehmen mußte, um dem Jungen die Kanone abzujagen, die ihn größenwahnsinnig machte. Ohne das Schießeisen in seiner Pfote würde seine Stärke zusammenfallen wie Seifenschaum. Ich senkte die Hände. Er zischte: »Pfoten hoch!«
Ich reagierte nicht. »Laß uns die Show beenden!« sagte ich gelassen. »Ich weiß, daß du mich in Wahrheit nicht abschießen willst. Ich habe dir den Rücken zugewandt, als ich ins Zimmer kam. Du hättest mich vom Balkon aus ohne großen Auftritt erledigen können. Was soll also das Theater?«
Auf dem Korridor erschollen hastige Schritte. Gleich darauf wurde hastig gegen meine Tür geklopft. Barbara Lentin rief: »Jerry! Hallo! Jerry! öffnen Sie! Ich muß Sie dringend sprechen!«
Plate duckte sich. Seine Augen flackerten. In seinem Gesicht zeichnete sich Ratlosigkeit ab. Ich setzte zum Sprung an.
In derselben Sekunde stieß Barbara die Tür auf. Ich hatte nicht abgeschlossen, und sie warf sich so heftig gegen die Tür, daß sie weit aufsprang und Barbara ins Zimmer stolperte. Meine Hand zuckte zum 38er hoch, aber ich verpaßte die richtige Sekunde, weil das Mädchen sich plötzlich in der Schußlinie zwischen Plate und mir befand.
Der Gangster sprang zur Seite weg. »Komm herein!« fauchte er. Cossak stand in der offenen Tür und sah verdammt unglücklich aus.
»Fred, ich… wußte… nicht, daß…«, stammelte er.
»Hereinkommen!« Plates Gesicht war jetzt bleich wie die Wand. Der dicke Hotelmann wankte in das Zimmer. »Tür zu!« Auch diesem Befehl gehorchte er.
Barbara hatte sich zu mir geflüchtet. »Gehen Sie zur Seite!« flüsterte ich scharf und drückte sie mit dem Ellbogen weg. Durch das Auftauchen des Mädchens und Cossaks hatte sich die Situation scheußlich verschlechtert. Wenn Plate jetzt verrückt spielte, konnte es einen von beiden treffen. Ich mußte die Karten aufdecken. Vielleicht brachte ihn das zur Vernunft.
»Höchste Zeit, daß du deine Kanone aus der Hand legst, Plate!« sagte ich. »Ich bin FBI-Agent!«
Er riß die Augen auf. Hinter mir gab Cossak einen gurgelnden Laut von sich — aus Überraschung oder weil ihm die Angst die Luft wegnahm. Barbara rührte sich nicht. Ich sah aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber
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