Jerry Cotton - 0528 - Ich gegen die Bestie von Long Island
das Geld brauchen — und ich bin der einzige, der euch dazu verhelfen kann!«
Webster schwieg einige Sekunden, dann sagte er: »Ich nehme an, du hast recht!«
Wells atmete auf. Er hatte gewonnen. »Du schlägst dich also auf meine Seite?«
»Ich überlege es mir noch einmal«, sagte Webster. »Ich muß das überschlafen.«
Wells grinste. Webster ging gewiß nur aus taktischen Gründen nicht gleich mit fliegenden Fahnen zu ihm über. Er wollte sein Gesicht wahren. Wells verstand das. »Du wirst deinen Entschluß nicht bereuen, Derek!« versicherte er.
***
Als ich ins Office zurückkehrte, wartete dort Steve Dillaggio auf mich. »Hallo, Steve«, sagte ich und setzte mich auf den Schreibtischrand, »Erfolg gehabt?«
»Wie man’s nimmt«, meinte er. »Ich habe die Frau im Auge behalten. Martha Hyers wartete vor dem Distriktgebäude, bis Wells herauskam. Sie folgte ihm bis zu seiner Wohnung und fuhr dann nach Hause.«
»Hat sie versucht, mit ihm zu sprechen?«
»Nein.«
»Hm«, machte ich und rieb mir das Kinn. »Entweder die beiden haben vorher eine telefonische Absprache getroffen, oder die Frau denkt, ihn jetzt in der Hand zu haben und erpressen zu können. So oder so wird sie sich für die falsche Aussage bezahlen lassen.«
»Wir müssen Shafton kriegen«, meinte Steve. »Ob er versuchen wird, nachts in sein Zimmer zurückzukehren? Bei seiner überstürzten Flucht konnte er nicht einmal seinen Rasierapparat mitnehmen.«
Ich nickte. »Das zuständige Revier weiß Bescheid. Sie halten das Haus unter Beobachtung.«
»Hast du noch etwas für mich zu tun?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wo steckt Phil?«
»Er ist nach Hause gefahren.« Steve gähnte. »Für mich wird es ebenfalls Zeit. Kommst du mit?«
»Ein guter Gedanke!« sagte ich. Aber dann fuhr ich nicht nach Hause, sondern zu Wells. Ich wollte ihn noch einmal in die Zange nehmen. Ich fand, daß er bei der Gegenüberstellung mit Martha Hyers zu billig davongekommen war.
Als ich vor seinem Haus stoppte, sah ich einen breitschultrigen Mann in der Eingangstür verschwinden. Ich konnte mich täuschen, aber der Mann sah von hinten aus wie Tim Beekman.
Beekman wurde von den meisten Unterweltsexperten als der mögliche Nachfolger von Herb Ryder betrachtet. Selbstverständlich hatte ihn dieser Umstand verdächtigt, mit Ryders Tod zu tun zu haben, aber sein Alibi war einwandfrei. Außerdem war es bekannt, daß er Herb Ryders loyalster Mitarbeiter gewesen war.
Ich stieg aus und zögerte. Dieser Besuch nach Mitternacht konnte nur dem Zweck dienen, den Fortbestand des Syndikats zu sichern. Es war klar, daß ich mich brennend für diese Unterhaltung interessierte, aber ich sah leider keine legale Möglichkeit, den Zuhörer zu spielen.
Ich wartete ein paar Minuten, dann stieg ich die Treppe zum zweiten Stockwerk hinauf. Wells wohnte in einem leidlich modernen, aber keineswegs extravaganten Apartmenthaus. Aus der Nachbarwohnung ertönte Radiomusik. Das Namensschild an dieser Tür besagte, daß hier eine Fay Fleming wohnte. Noch während ich mich fragte, ob es vertretbar war, die Wohnungsinhaberin zu dieser ungewöhnlichen Stunde herauszuklingeln, öffnete sich die Tür mit einem plötzlichen Ruck.
Die junge Dame, die sich im Türrahmen zeigte, trug einen moosgrünen Hausmantel. Er bildete einen anziehenden Kontrast zum Rot ihrer Haare und zu der milchigen Blässe ihrer Haut. Die großen, langbewimperten Augen waren weit geöffnet und von einem Ausdruck des Terrors erfüllt.
»Miß Fleming?.« fragte ich. Ich war bemüht, meiner Stimme einen ruhigen, freundlichen Klang zu geben, denn ich sah, in welcher Verfassung das Girl war. Was hatte sie so erschreckt?
»Ja!« stotterte sie und versuchte, mit dem zusätzlichen Erschrecken fertig zu werden, das durch mein plötzliches Auftauchen vor ihrer Apartmenttür ausgelöst worden war.
»FBI!« sagte ich und zeigte ihr meine ID-Card. »Ich war eben noch im Zweifel, ob ich zu so später Stunde noch bei Ihnen klingeln sollte, aber da ich sehe, daß…«
Weiter kam ich nicht. Das Girl packte mich am Arm und zerrte mich in die schmale Diele. »Kommen Sie herein!« sagte sie schwer atmend und am ganzen Leibe zitternd. »Sie sind tatsächlich G-man? Lieber Himmel, ich bin froh, daß Sie hier sind! Ich fürchte, nebenan ist etwas Schreckliches geschehen!«
»Nämlich?« fragte ich.
Das Girl schluckte. »Mr. Wells ist umgebracht worden!«
***
Ich sah, daß das Girl mit seinen Nerven völlig am Ende war. »Was haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher