Jerry Cotton - 0545 - Im Park der toten Liebespaare
waren bei denen bisher immer, soviel ich weiß, Tat- und Fundort identisch. Das kann hier nicht der Fall sein. Die Santos und Tibbers wurden ganz gewaltig durch die Mangel gedreht. Das können die Halunken nicht hier gemacht haben. Die Nachbarschaft wäre von dem Geschrei alarmiert worden. Also hat man die beiden irgendwo schwer mißhandelt, anschließend ausgezogen und hierhergebracht.«
»Warum hat man ihnen dann die Kleider überhaupt ausgezogen?«
»Vielleicht wollte pian ihre Identifizierung erschweren.«
»Das glauben Sie doch selber nicht, Wilberforth. Die beiden kennt jedes Kind in Amerika. Und Sie scheinen sie doch auch ohne Kleider auf Anhieb erkannt zu haben.«
»Stimmt«, gab der Lieutenant zu. »Ich habe auch keine vernünftige Erklärung für die fehlenden Kleider. Es sei denn, daß eine Bande von Sadisten am Werk war.«
»Halten Sie das für möglich?«
»Und ob, Cotton. Sie hätten die beiden sehen sollen. Das müssen Sadisten gewesen sein, die das angestellt haben.« Der junge Detektiv tauchte wieder auf. Er trug dünne, fast durchsichtige Gummihandschuhe. Schweigend hielt er uns die ausgestreckte rechte Hand hin. Wir blickten auf ein rosagraues Gebilde.
»Kaugummi?« riet Phil.
Wilberforth nickte, »Ja. Und zwar drei, vier oder gar fünf Riegel zu einem Ballen zusammengekaut. Das Ding lag dicht neben der Bank. Natürlich kann niemand sagen, ob es einer der Täter zurückgelassen ♦ hat. Es kann auch schon Tage da gelegen haben. Auf jeden Fall sollen sich die Laborhengste mal drüber hermachen. Die Marke werden sie uns bestimmt sagen können, und das macht sich so schön im Tatortbefund. Oder Fundor.tbefund. Daß uns das allerdings weiterhelfen wird, glaube ich nicht.«
»Was wollen Sie jetzt unternehmen, Wilberforth?«
»Zuerst will ich die Wohnung der Santos und die von Tibbers in Augenschein nehmen. Vielleicht entdecken wir dort etwas, was uns auf die Sprünge hilft. Obgleich ich mir das nicht vorstellen kann.«
»Warum nicht?« fragte Phil.
»Wenn es, wie es aussieht, eine Bande von Sadisten war, dann waren die Opfer zufällig diese beiden. Vielleicht sind sie zusammen spazierengegangen — gestern abend war immerhin nicht so ein miserables Wetter — und wurden zufällig von den Tätern geschnappt. Wenn es so ein Zufall war, können wir in ihren Wohnungen kaum einen Hinweis auf die Täter erwarten.«
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Bis zu der Verabredung mit Steve Dillaggio und Hellen Oaks um elf im Playgoers Café hatte ich noch reichlich Zeit.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, Lieutenant«, schlug ich vor, »fahren wir mal mit zu den Wohnungen.«
»Von mir aus. Dann würde ich Vorschlägen, daß wir aufbrechen. Hier werde ich nicht mehr gebraucht. Außerdem muß ich mal im Krankenhaus anrufen, um zu hören, wie es den beiden geht.«
»Wissen Sie, wo die beiden Wohnungen sind?«
»Einer meiner Jungs hat im Theater angerufen, wo die Santos auftritt, und bei einer Fernsehgesellschaft wegen Tibbers. Wir bekamen beide Adressen.«
»Okay. Fahren Sie vor uns her. In meinem Jaguar ist leider nur für zwei Platz.«
Wilberforth nickte. Er setzte sich ans Steuer einer schwarzen Dienstlimousine, nachdem er noch ein paar Worte mit einem seiner Mitarbeiter gewechselt hatte, die noch die weitere Umgebung der Bank absuchen sollten, wo man die Verletzten gefunden hatte. Während wir hinter dem Lieutenant langsam durch den unaufhörlich rinnenden Regen fuhren, murmelte Phil: »Was hältst du von Wilberforths Sadisten-Theorie?«
»Ich kann mir noch keinen Vers darauf machen. Aber schließlich hat er die Opfer gesehen und wird sich als erfahrener Mann schon ein Urteil erlauben können.«
»Trotzdem«, brummte Phil.
»Was?«
»Trotzdem gefällt es mir nicht. Daß die beiden mißhandelt worden sind, kann auch etwas anderes bedeuten.«
»Was denn?«
»Du weißt doch, wie es im Showgeschäft zugeht. Da kann Neid oder sonst was eine Rolle gespielt haben.«
»Du meinst, daß ein Kollege das organisiert haben könnte, um die beiden für einige Zeit am Auftreten zu hindern?«
»Es wäre immerhin möglich. Paß auf, Wilberforth biegt rechts ab.«
Ich ordnete mich ein und folgte der Limousine des Lieutenants. Er war in die 74. Straße West eingebogen und hielt vor einem großen Block, der jüngeren Datums sein mußte. Eine Markise war bis über den Gehsteig vorgezogen, so daß man die Haustür erreichen konnte, ohne vom Regen belästigt zu werden. Dort stand ein Neger in goldverzierter
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