Jerry Cotton - 0545 - Im Park der toten Liebespaare
mit ein paar Gorillas wohnt.«
»Wovon lebt er offiziell?«
»Vor dem Finanzamt tut er so, als ob sein ganzes Geld aus dem Nachtklub im Village und aus der Wäscherei im Vorderhaus stammte, die ihm beide offiziell gehören. Ich habe den Eindruck, daß ihm auch das Ferguson Hotel in der 82. und das Malcolm Hotel in der 98. Straße gehören. Beide Häuser sind billige Absteigen, die ihre Zimmer sogar stundenweise vermieten. Es soll in beiden Hotels eine Art Katalog mit Fotos geben. Du nimmst ein Zimmer und bestellst nach dem Katalog ein Mädchen. Der Portier regelt alles für dich, du brauchst nur zu bezahlen. Aber die Kerle sind vorsichtig. Bisher konnte man nichts Genaues beweisen.«
»Wie viele Mädchen kontrolliert Eddy Marshall?« fragte Phil.
Steve brummte: »Keine Ahnung!«
»Wie viele Männer arbeiten für ihn?« wollte ich wissen.
»Wenn du die Kerle in den Hotels mitzählen willst, und das wird man tun müssen, kommst du auf wenigstens sechzig.«
»Das ist eine verdammt große Bande!«
»Eddy Marshall ist auch ein verdammt großer Hecht im Teich der New Yorker Unterwelt, Jerry.«
Ich sah auf meine Uhr. Es ging auf halb zehn zu. »Was tut Eddy gewöhnlich um diese Zeit?« fragte ich.
»Er schläft«, antwortete Steve sofort. »Gewöhnlich kommt er nicht vor fünf oder sechs Uhr früh ins Bett. Sein Frühstück wird ihm pünktlich um zwei Uhr mittags serviert.«
»Du bist doch recht gut informiert«, lobte ich.
Steve grinste. »Ich habe mal zufällig Hellen Oaks kennengelernt.«
»Hellen Oaks? Wer ist das?«
»So was wie eine Directrice in Marshalls Organisation.«
Ich stieß einen leisen Pfiff aus. »Du gehst aber ’ran«, sagte ich bewundernd. »Wofür hält sie dich?«
»Für einen Professor für amerikanische Geschichte an der Staatsuniversität von Kalifornien.«
»Mangel an Bescheidenheit kann man dir wirklich nicht vorwerfen. Aber sie braucht sich nur ein einziges Vorlesungsverzeichnis schicken zu lassen, und schon bist du auf geplatzt.«
Steve schüttelte lächelnd den Kopf. »Eben nicht«, sagte er überlegen. »Dort gibt es wirklich einen Professor Dillaggio. Der Kerl ist sogar entfernt mit mir verwandt. Allerdings habe ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen. Jedenfalls steht der Name Dillaggio im Vorlesungsverzeichnis.«
»Du bist noch durchtriebener, als ich dachte«, räumte ich ein. »Kannst du mich auf eine unauffällige Art mit dem Mädchen bekannt machen?«
Steve blickte lässig auf seine Uhr. »Ich dachte mir schon so was, als Phil anrief und Informationen über Eddy Marshall verlangte«, entgegnete er. »Miß Hellen Oaks erwartet mich um elf im Playgoers Café. Du kannst mitkommen.«
»Wie reizend von dir.«
Hinter der Theke schrillte das Telefon. Da wir hier alle so eine Art große Familie waren und Max offenbar allein in dér Küche stand, ging Phil hin und nahm den Anruf entgegen. Steve und ich achteten nicht auf ihn, sondern unterhielten uns über die bevorstehende Begegnung mit einer Frau, die in Marshalls Callgirlring eine wichtige Stellung einnahm. Bis Phil an unseren Tisch zurückkam und einen einzigen Satz sagte: »Unser Frühstück muß warten, Jerry.«
»Auf dem Ohr bin ich taub«, knurrte ich. »Was ist los?«
»Ein Pärchen im Morningside Park«, sagte Phil grimmig.
***
Lieutenant Harry Easton wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Seine Hosenbeine klebten an den Knien fest, das Regenwasser war ihm in den Nacken gelaufen und hatte den Hemdkragen durchnäßt.
»Na, Ed«, brummte er zu seinem hünenhaften Stellvertreter, »was halten Sie von der Sache?«
Ed Schulz zuckte mit den Achseln. »Verdammt widerliche Geschichte, Lieutenant. Es sieht nicht danach aus, als ob man die beiden hier im Park umgebracht hat. Wenn es aber nicht hier war, wo war es dann? Wir können suchen, bis wir blau werden, bevor wir den Tatort entdecken, Lieutenant. In Harlem gibt es Dutzende von Möglichkeiten und Hunderte von Leuten, die nie etwas gesehen haben, und wenn man einen vor ihrer Nase umgebracht hätte.«
»Das ist mir auch klar«, sagte der Lieutenant. Er trug seinen Spitznamen »Cleary«, weil er in dem legendären Ruf stand, daß es bei seiner Mordkommission keine unaufgeklärten Fälle gab, was vielleicht ein bißchen übertrieben war, aber immerhin stand fest, daß Eastons Aufklärungsquote über allen anderen lag. »Wenn die beiden woanders umgebracht wurden, muß sie jemand im Laufe der letzten Nacht hierhergebracht haben, Ed.«
»Na und?« entgegnete der
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