Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
höllisch weh, und er schien bis in die Fingerspitzen hinein so hart zu sein, als wäre er aus Holz geschnitzt, aber ich fühlte ihn. Ich zwang mich, die Finger zu bewegen, und es gelang mir, sie ein wenig zu krümmen. In fünf oder zehn Minuten würde ich die Hand wieder benutzen können. Noch steckte der 38er in der Halfter. Noch waren weder Acer noch Crunk auf den Gedanken gekommen, ich könnte eine Waffe bei mir tragen, und der Farbige hatte es nicht einmal gemerkt, als er mich zusammenschlug.
Wieder hörte ich Schritte, diesmal von zwei Männern. »Das ist er«, sagte Acer. »Dreh ihn um, Vic!«
Crunk packte meinen linken Arm, half mit dem Fuß nach und drehte mich auf den Rücken. Ich hielt die Augen noch geschlossen.
»Mein letztes Angebot!« sagte Acer. »Du gibst den Schmuck, den du gestohlen hast, zurück. Ich stopfe dir zweitausend Dollar in die Tasche, und wir lassen dich laufen. Wenn du dich weigerst, wird Staff dich umbringen. Los, Staff, sag ihm, daß du es tun wirst!«
Ich öffnete die Augen. Der Killer stand zwischen Acer und Crunk. Er trug merkwürdigerweise einen kleinen Koffer in der linken Hand.
»Er bringt dich doppelt gerne um«, sagte Acer, »denn er hat Francis gut gekannt.«
Der Mann trug keinen Hut. In seinem knochigen, häßlichen Gesicht zuckten die Muskeln. Er sah aus, als fühle er sich überrascht und verdammt unbehaglich.
Der Mann hieß Stafford Paret und kam aus New York. Er war mir zwei- oder dreimal bei der Verfolgung New Yorker Gangster über den Weg gelaufen. Ich kannte ihn, und er kannte mich. Er wußte, daß ich ein G-man war.
***
Auf dem Tisch lag die Zeituhg mit dem Bild des toten Homes Gebbia auf dem Deck des Motorbootes. Diane Jagg stützte beide Ellenbogen auf die Tischplatte und betrachtete das Foto. Sie saß in dieser Haltung seit einer halben Stunde. Homes Gebbia sollte also der Mädchen-Mörder gewesen sein. Er war damals unter Benutzung des Fensterputzer-Aufzuges in dieses Zimmer eingedrungen, in dem Diane jetzt saß. Er hatte Vera Gardner getötet, so wie er vorher fünf andere Mädchen getötet haben sollte. Sie erinnerte sich, daß auch von Gebbia nach jener Nacht eine Blutprobe gemacht worden war, und nach dem Ergebnis mußte Homes Gebbia betrunkener gewesen sein als jeder andere, zu betrunken auf jeden Fall, um nicht aus dem Außenaufzug zu fallen. Aber vielleicht war Gebbia nicht so fürchterlich betrunken gewesen. Die Blutproben waren irgendwann um die Mittagszeit entnommen worden, und die Ärzte hatten nach dem Ergebnis auf den Trunkenheitsgrad zur Tatzeit geschlossen.
Wenn Diane nachdachte, zog sie die Stirn kraus und kniff die Augen zusammen. Ihr Gesicht sah dann aus wie das Gesicht eines kleinen Mädchens, das in der nächsten Sekunde weinen wird. Vielleicht war Gebbia zur Tatzeit gar nicht betrunken gewesen, sondern hatte den Whisky später in sich hineingeschüttet. Bei der Blutentnahme war der Alkohol nur in einem bestimmten, geringen Maße abgebaut, und wenn die Ärzte nur auf die Tatzeit zurückrechneten, kamen sie zu einem völlig falschen Ergebnis.
Okay, aber diese Fehlermöglichkeit galt dann auch für alle anderen. Diane sah ein, daß der zweite Teil ihrer Schlußfolgerung nicht stimmte. Die anderen hatten an der Party teilgenommen. Sie hatten ohne Zweifel getrunken, und sehr wahrscheinlich hatten die meisten sich eine Menge einverleibt.
Diane stand auf. Sie ging zum Tisch, öffnete ihn und zog eine Schublade auf, in der nichts lag als der schwarze Schal, den sie nach dem Feuerwerk auf dem Dach gefunden hatte. Sie nahm ihn vorsichtig heraus, trug ihn zum Tisch. Dort ließ sie ihn auf die Zeitungen fallen. Der Stoff bedeckte nahezu das gesamte Blatt. Nur ein Teil des Bildes blieb frei. Wieder ließ Diane sich in den Sessel fallen. Sie rauchte Selten, aber jetzt zündete sie sich eine Zigarette an.
Wenn Homes Gebbia der Mädchen-Mörder war, dann hatte dieser Schal ihm gehört. Sie dachte an das Aussehen des Mannes, sein grobes Gesicht, das immer schlecht rasiert war, die niedrige Stirn, die plumpen Bewegungen. Mit dem Instinkt einer Frau für modische Dinge fühlte Diane, daß ein Mann wie Gebbia niemals einen Schal aus schwarzer Seide kaufen würde. Es paßte einfach nicht zum schwerfälligen Typ des Butlers, solche Dinge zu besitzen.
Diane lehnte sich zurück und schloß die Augen. Intensiv stellte sie sich die Szene auf dem Dach vor, rief sie sich die Gestalt und die Bewegungen des Maskierten in Erinnerung. Sie verglich beides mit
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