Jerry Cotton - 0549 - Ich und der schleichende Tod
Krankenhaus rasen. Wirklich, glauben Sie es mir.«
Eileen wollte sich losreißen, aber die Stimme des Sergeanten sprach so begütigend auf sie ein, daß die erste Panik in ihr sich langsam legte und sie sich wieder faßte.
»Was ist mit Ralph?« stieß sie schrill hervor. »Sergeant, Sie müssen es mir sagen! Sie müssen! Ich bin doch seine Mutter! Ich habe doch ein Recht darauf, zu erfahren, was mit meinem jungen…«
Ihre Stimme überschlug sich. Sergeant 0‘Brien legte ihr den Arm auf die Schulter Wie zerbrechlich sie ist, schoß es ihm durch den Kopf.
»Er ist außer Lebensgefahr, Mrs. Eagle«, sagte er betont. »Ich habe selbst mit dem behandelnden Arzt gesprochen. Ihr Sohn hat sehr viel Glück gehabt. Aber die Ärzte werden in den nächsten vierundzwanzig Stunden niemand zu ihm lassen. Morgen früh gegen neun Uhr wird man Sie anrufen. Das ist es, was ich Ihnen sagen sollte. Bitte, seien Sie um neun Uhr hier, damit das Krankenhaus Sie erreichen kann. Haben Sie mich verstanden, Mrs. Eagle?« Eileen nickte dumpf. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Erst Allan, jetzt Ralph. Und sie durfte nicht zu ihm.
»Die Ärzte wissen, was sie tun«, sagte der Sergeant, als ob er ihre Gedanken gelesen hätte. »Ich weiß, was es für Sie bedeutet, Mrs. Eagle, daß Sie jetzt nicht zu Ihrem Kind dürfen, aber Sie wollen doch nur das Beste für Ihren Sohn, nicht wahr? Sie wollen doch, daß er wieder gesund wird! Und da müssen Sie sich an die ärztlichen Vorschriften halten. Auch wenn es schwer für Sie ist.«
Eileen spürte den starken Arm des Mannes auf ihrer Schulter. Sie ließ den Kopf an seine Brust sinken und weinte. O'Brien machte ein grimmiges Gesicht und wußte nicht so recht, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Er starrte hinüber zu dem Narbigen, der keinerlei Anstalten machte, irgend etwas zu tun.
»Kümmern Sie sich um Ihre Schwester, ja?« bat der Sergeant leise.
»Klar, Sergeant. Mache ich. Ob man ihr ’nen Schnaps geben sollte?«
»Ich weiß nicht…« murmelte O’Brien leise, und die ganze Geschichte gefiel ihm nicht. Wenn das ihr Bruder war, warum, zum Teufel, hob er dann nicht endlich seinen verdammten Hintern aus dem Sessel hoch und kümmerte sich um seine Schwester?
»Rufen Sie Ihren Schwager an«, sagte O'Brien. »Rufen Sie Mr. Eagle an. Es ist vielleicht das beste, wenn er sich in der Firma einen Tag Urlaub geben läßt und gleich nach Hause kommt.«
»Ja, das ist wahr«, sagte der Narbige und legte endlich die Zeitung beiseite. »Aber anrufen — ich weiß nicht. Am Telefon hört sich so was immer so fürchterlich an finden Sie nicht, Sergeant? Vielleicht ist es besser, wenn ich hinfahre und ihn von der Firma abhole!« Der erste vernünftige Vorschlag von diesem Kerl, dachte O'Brien und nickte: »Gute Idee.«
Inzwischen hatte sich Eileen Eagle wieder ein wenig beruhigt. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Entschuldigen Sie, Sergeant«, sagte sie heiser. »Meine Nerven sind nicht die besten. Verleihen Sie.«
»Ich bitte Sie, Mrs. Eagle«, sagte der Sergeant. »Da gibt’s doch nichts zu entschuldigen. Machen Sie sieh nicht zu viele Sorgen. Der Arzt hat mir ausdrücklich bestätigt, daß keine Lebensgefahr besteht. Ich finde, das ist doch schon sehr beruhigend, nicht wahr?«
Eileen nickte tapfer. »Gewiß«, bestätigte sie. »Das ist immerhin ein Trost.«
»Tja«, sagte O'Brien. »Ich muß wieder gehen. Tut mir leid, Mrs. Eagle, daß wir uns nicht bei einer erfreulicheren Gelegenheit kennengelernt haben. Wiedersehen!«
»Auf Wiedersehen, Sergeant«, sagte Eileen Eagle tonlos und sah ihn groß an.
Verdammt- noch mal, dachte O’Brien, sie sieht mich an, als wollte sie etwas von mir. Aber was denn bloß? Ich kann ihr doch auch nicht helfen.
»Wiedersehen, Sergeant«, sagte der Narbige und machte eine kleine verabschiedende Geste.
O'Brien nickte ihm stumm zu, drehte sich um und stapfte zur Tür. Seltsamer Bruder, dachte er. Gar keine Ähnlichkeit. Und irgendwie benimmt er sich gar nicht wie ein Familienmitglied. Steht eher ’rum wie ein Fremder. Wirklich seltsame Leute. O'Brien stapfte hinaus. Er zog leise die Tür hinter sich zu.
Eileen Eagle hatte ihm nachgeblickt, bis sich die Tür geschlossen hatte. Für ein paar Sekunden war die wilde Hoffnung in ihr aufgekeimt, der Sergeant könnte irgend etwas bemerken, das ihn stutzig gemacht hätte. Es wäre nicht ihre Schuld gewesen, und sie wäre so dankbar gewesen, wenn die Polizei ihr die Dinge aus der Hand genommen hätte.
Weitere Kostenlose Bücher