Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jerry Cotton - 0553 - Ein Toter wird ermordet

Jerry Cotton - 0553 - Ein Toter wird ermordet

Titel: Jerry Cotton - 0553 - Ein Toter wird ermordet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
besetzt. Aber in der zweiten Reihe gab es freie Tische. Also hier, dachte ich, trifft sie sich mit Gilvan. Nora setzte sich an einen kleinen runden Tisch mit zwei Stühlen. Der Kellner nahm ihr den Mantel ab. Sie gab ihre Bestellung auf, starrte dann auf die marmorierte Tischplatte und war ganz mit ihren Gedanken beschäftigt. Sie wirkte abgespannt. Aber Nervosität oder Spannung konnte ich nicht an ihr entdecken.
    Ich wartete. Ich ging langsam vor dem Fenster auf und ab wie jemand, den ein nächtliches Rendezvous auf die Straße treibt. Nora ließ sich Tee servieren. Sie aß Apfelkuchen mit Sahne, stand nach einer Weile auf und holte sich eine Zeitung aus einem Regal. Nora las. Ich hatte erwartet, sie würde sich flüchtig mit der Zeitung beschäftigen, fahrig und schnell durch die Seiten blättern und Schlagzeilen lesen, ohne sie aufzunehmen. Nichts davon! Sie las, als hätte sie viel Zeit und viel Ruhe.
    Etwas später erntete ich die ersten verwunderten Blicke. Ein grauhaariger Gentleman am Fenster sah mich unverwandt an. Sobald ich auf und ab ging, bewegte er die Lippen. Er schien mit sich selbst zu wetten und meine Schritte zu zählen. Ich unterstützte sein Spielchen und variierte die Zahl. Dreizehn hin, elf zurück, elf hin, zwölf zurück. Der Alte murmelte, folgte mir mit den Augen, und sein freundliches Greisengesicht spannte sich unter der welken Haut.
    Niemand kam. Nora blieb allein.
    Nach einer halben Stunde wechselte ich auf die andere Straßenseite hinüber. Hier war es dunkel. Ein Bauzaun versperrte den Gehsteig. An der Ecke blieb ich stehen. Ich rauchte, beobachtete das Café, wartete, fror, ärgerte mich, fluchte auf Job und Nachtarbeit, bekam schwere Füße vor Müdigkeit und quälendes Verlangen nach einem Bier.
    Eine Horde Jugendlicher kam vorbei. Sie trugen Beatle-Mähnen und schwarze Lederjacken mit Leuchtbuchstaben auf dem Rücken. Die Leuchtbuchstaben verkündeten Sprüche und Wünsche, die entweder obszön oder verfassungsfeindlich waren. Einer der Burschen ging, obwohl genug Platz war, verdammt nah an mir vorbei. Er rempelte mich mit der Schulter. Er machte noch einen Schritt, blieb stehen. Senkte den Schädel wie ein gereizter Jungstier und drehte sich um. Daß er Streit suchte, war offensichtlich. Er trat hart an mich heran.
    »Können Sie sich nicht Ich sah wortlos auf ihn hinunter. Er hatte blaue Kinderaugen und seidige Bartstoppeln am Hals. Ich starrte in sein Gesicht. Drei, vier Sekunden verstrichen. Sein Blick wurde kürzer. Die gestrafften Schultern lockerten sich. Er drehte der. Fopf« ah, daß seine Kumpane weitergingen, murmelte: »Verzeihung, Sir!« und verschwand ebenfalls.
    Ich wartete. Eine Stunde verging. Anderthalb Stunden. Einigen Damen, die unabhängig voneinander vorbeispazierten, mußte ich energisch klarmachen, daß ich nicht ihre Gesellschaft suchte.
    Mitternacht. Schließlich 0.30 Uhr. Nora trank den fünften Likör aus, bezahlte, ging zur Garderobe. Ich drückte mich in eine dunkle Ecke. Nora kam heraus. Vor dem Eingang atmete sie tief ein. Den breiten Mantelkragen hatte sie hochgekiappt. Ihr honigblonder Schopf wuchs daraus hervor wie eine seltene Blüte aus einem silbrigen Blätterkranz. Ich war nicht mehr gespannt. Ich war nur noch enttäuscht. Hatte ich mich geirrt? Jagte ich einem Hirngespinst nach? Trotz aufkeimender Zweifel folgte ich ihr die Avenue hinauf bis sie das Eckhaus in der 187. Straße erreichte.
    Ich beschleunigte meinen Schritt.
    »Hallo, Nora.«
    Sie stand schon an der Tür, fuhr herum und kreuzte abwehrend die Arme vor der Brust.
    »Habe ich dich erschreckt? Tut mir leid!«
    Mondlicht fing sich in ihrem Haar. Sie sah unwirklich schön aus. Sie war durchscheinend und zart. Sie war aus Silber und Elfenbein. Sie hatte etwas von einer Wasserpflanze, die sich vom stillen Grund löst und an die mondbeschienene Oberfläche steigt.
    »Jerry… Was machst du denn hier?« Ihre Stimme war belegt.
    »Ich komme zufällig vorbei. Das heißt, ich hatte in der Nähe zu tun. Mir ist noch was eingefallen, was ich dich fragen muß. Es ist zwar nicht schicklich, um diese Zeit eine Dame zu besuchen. Aber ich war sicher, daß du noch nicht schläfst. Außerdem…«, ich trat einen Schritt zurück, so daß ich an der Hauswand emporsehen konnte, »…brennt in deiner Wohnung Licht. Hat Ted heute keinen Dienst?«
    »Doch. Nein, das heißt, doch. Aber er ist… er ist früher zurückgekommen.«
    »Sei nett, Nora. Nimm mich mit hoch. Schenk mir ein Bier ein. In fünf

Weitere Kostenlose Bücher