Jerry Cotton - 0554 - Das Geheimnis der Millionenbande
davonkam.«
Alexandra Cabbrey schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Auf jeden Fall gelten Sie als tüchtige Privatdetektivin.« Sie zog eine Schublade auf, entnahm ihr ein Foto und warf es auf den Schreibtisch. »Ich möchte, daß Sie diesen Mann für mich finden.«
Diane nahm das Foto auf. Es zeigte den Kopf eines dicken Mannes von rund vierzig Jahren. Das blonde Haar trug er kurzgeschnitten und mit einem Seitenscheitel. Abgesehen vom Doppelkinn und den prallen Wangen war das Gesicht ohne besondere Merkmale.
»Der Bursche heißt Edward Forest«, sagte Alexandra Cabbrey, und ihre Stimme zitterte vor Wut. »Er Arbeitete in meiner Bank als Kassierer, und er stahl mir vierzigtausend Dollar.«
»Eine Unterschlagung?«
»Ein glatter Diebstahl! Er kam eines Morgens nicht zum Dienst. Mein Sohn und ich überprüften den Tresorbestand und stellten den Verlust von vierzigtausend Dollar fest. Wir konnten nur mit Mühe diesen Verlust vor den Angestellten vertuschen. Natürlich sagten wir, Forest wäre von uns fristlos entlassen worden, weil wir moralische Unkorrektheiten in seiner Lebensführung festgestellt hätten.« Sie grinste und zeigte ein Gebiß, das ebenso nachlässig repariert war wie ihr Haar gefärbt. »Das war nicht einmal eine Lüge. Der dicke Eddie hatte eine Schwäche für dünne und junge Mädchen!«
»Warum wollen Sie den Verlust vertuschen, Mrs. Cabbrey?«
»Keine Ahnung vom Bankgeschäft, wie? Was die Angestellten wissen, erfahren in Sekundenschnelle die Kunden, und zwar übertrieben und aufgebläht. Aus vierzigtausend Dollar werden vierhunderttausend oder vier Millionen. Die Kunden fürchten um ihre Einlagen, und im Handumdrehen erlebt die Bank einen Run auf die Kassenschalter. Wir müssen Beträge auszahlen, die wir lieber irgendwie angelegt hätten. Allein die Zinsverluste können zigtausend Dollar ausmachen. Wir sind eine Investitionsbank. Wir können es uns nicht leisten, daß unsere Kunden…« Sie unterbrach sich selbst mit einer ärgerlichen Handbewegung. »Es ist reine Zeitverschwendung, Ihnen unsere Geschäftsprinzipien auseinanderzusetzen. Ich hielt es für richtig, den Verlust aus meiner Privatkasse zu ersetzen.«
»Haben Sie auch die Polizei nicht informiert?«
»Stellen Sie nicht so dumme Fragen!« blaffte die Bankchefin. »Glauben Sie, ich hätte meinen Angestellten erzählen können, die Polizei schnüffle hier herum, um den verlorengegangenen Teddybären eines Kindes zu finden?«
Diane drehte das Foto zwischen den Fingern. »Kann ich Hinweise haben außer diesem Foto?«
»Forest wohnte zuletzt in einem Apartmenthaus. Die Adresse: East 18. Straße 431. Selbstverständlich tauchte er in dieser Wohnung nie wieder auf.«
»In Ordnung, Mrs. Cabbrey! Ich werde versuchen, den Mann zu finden.«
»Ihr Honorar?«
Diane nannte einen Betrag, der ihr ziemlich hoch erschien, aber die Frau auf der anderen Seite des Schreibtisches nickte mit dem Kopf. »Sie müssen rasch Erfolg haben. Ich erwarte, daß Sie sich mächtig anstrengen. Je früher Sie diesen verdammten Dieb finden, desto weniger Geid kann er ausgeben. Wann kann ich Ihren ersten Bericht haben?«
»In achtundvierzig Stunden.«
»Ich gebe Ihnen eine Kassenanweisung über fünfhundert Dollar!« Sie schrieb eine Art Scheck aus und reichte ihn Diane. Sie kam um den Schreibtisch herum und legte der Privatdetektivin einen Arm um die Schulter, obwohl sie einen halben Kopf kleiner war und sich recken mußte. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, mein Kind!« Sie begleitete Diane hinaus in das üppig eingerichtete Büro ihres Sohnes. Die Tür zum Vorzimmer stand offen. Mrs. Cabbreys Gesicht verfinsterte sich, als sie sah, daß ihr Sohn sich nicht im Büro befand. Die dicken Teppiche dämpften die Schritte der beiden Frauen. Sie erreichten die Tür zum Vorzimmer fast lautlos.
Howard Cabbrey und die Sekretärin Hattie standen viel zu nahe beieinander. Das rothaarige Mädchen zeigte noch immer ein wütendes Gesicht, während der Mann leise auf sie einredete. Als die Bankchefin und Diane Jagg den Raum betraten, fuhren sie auseinander. Die Sekretärin setzte sich hinter die Schreibmaschine; Howard strich verlegen über seine Schläfe. »Zum Teufel, Howard«, knurrte seine Mutter. »Manchmal frage ich mich, warum ich mir deinetwegen soviel Mühe gebe!«
Cabbrey setzte ein Lächeln auf, das Diane als ziemlich häßlich empfand. »Erstens bin ich dein Sohn, und zweitens gibst du dir nicht meinetwegen Mühe, sondern nur aus dem einen Grund,
Weitere Kostenlose Bücher