Jerry Cotton - 0555 - Der Moerderboss von Honolulu
mußte den Mörder haben, und zwar rasch.
Und dann kam ich an das Schloß.
Ich finde auch jetzt keinen anderen Ausdruck für das Riesengebäude. Es lag etwas abseits der Straße auf einer gepflegten, von Bäumen und Büschen bestandenen Parkfläche, die sich wohltuend von der Wildnis abhob, in die sie eingebettet war.
Das Schloß war zwar nur einstöckig, aber langgestreckt und von imponierenden Ausmaßen. Es wirkte hochmütig, bombastisch und irgendwie barock. Der Mitteltrakt ähnelte einem Herrenhaus der amerikanischen Südstaaten. Zwischen den weißen, bis zum Dachfirst aufstrebenden Steinsäulen befanden sich die schmalen Fenster der Halle. Dahinter versprühte ein gewaltiger Kristallüster tausend Lichtfunken.
Das Schloß machte einen ebenso gepflegten Eindruck wie der Park, der es umrahmte. Trotzdem war für mich sein Anblick ein Schock. Es hätte mich nicht weniger überrascht, als einsamer Wüstenwanderer mitten in der Sahara plötzlich auf eine Würstchenbude oder einen Schuhputzer zu stoßen.
Ich näherte mich dem Schloß nur langsam, fast so, als wäre es eine Fata Morgana, die sich im nächsten Augenblick in Luft auflösen könnte. Die Stille, die mich empfing, hatte etwas Unheimliches an sich. Wieder hatte ich das Gefühl, als würde jede meiner Bewegungen beobachtet und überwacht.
Dann, als ich mich dem Gebäude bis auf zwanzig Schritte genähert hatte, hörte ich Stimmen. Ich marschierte um das Schloß herum. Ich bemühte mich dabei, keine Geräusche zu verursachen und im Schatten der Bäume und Büsche zu bleiben. Während der Mitteltrakt und das Portal des Gebäudes von einer Laterne beleuchtet wurden, lag die Rückseite des Schlosses im Dunkel. Ich folgte den Stimmen und gelangte an ein offenes Fenster. Selbstverständlich achtete ich darauf, daß man mich nicht sehen konnte.
Ich wartete auf weitere Stimmen, aber zunächst blieb es im Inneren ziemlich still. Ich vernahm nur einige metallische Geräusche, die ich mir nicht erklären konnte.
»Der verdammte Kühlschrank streikt mal wieder«, sagte dann ein Mann.
»Dir schmeckt der Whisky doch auch ohne Eis«, höhnte ein anderer.
»Mein Gott, wie lange müssen wir denn noch auf die Show warten?« fragte ein dritter.
»Ich bin gleich fertig, Chef.«
Ein metallisches Schnappen ertönte, dann wurde es in dem Raum plötzlich hell. Das heißt, ein Projektor warf ein großes farbiges Bild auf eine Leinwand.
Ich peilte vorsichtig um die Ecke. Im ersten Moment wußte ich nicht, was da eigentlich gezeigt wurde. Ich sah nur quirlende, unruhige Farben. Eigentlich war es bloß eine Farbe. Ein blutiges Rot.
Das Bild wurde angehalten. »Pardon«, sagte eine Männerstimme. »Ich habe den Film falsch eingelegt.«
»Anfänger«, schimpfte jemand. Ich merkte, wie sich meine Nackenhärchen sträubten. Diese Stimme kannte ich. Sie gehörte dem Mann, der mich in das Haifischbecken am Hafen von San Francisco gestoßen hatte.
Ich hörte, wie der Film zurückgespull wurde, dann begann die Vorführung erneut.
Es war der spannendste Film meines Lebens. Er hatte nur zwei Hauptdarsteller. Einer davon war Speedy, der Menschenhai. Der andere war ich.
Der Film zeigte meinen Kampf mit dem Hai.
Fasziniert verfolgte ich das Geschehen, das mir beinahe zum Verhängnis geworden war.
Der Film endete, als das rote blutdurchtränkte Wasser kein vernünftiges Bild mehr zuließ.
»Als ich den Kampf gefilmt hatte, wußte ich plötzlich, daß wir den Mann brauchen können, Chef«, sagte der Bursche mit der belegten Stimme.
»Du hast recht, Ted«, antwortete der Mann, der sich über die Verzögerung des Showbeginns mokiert hatte. »Ich hoffe sehr, daß er uns nicht enttäuscht!«
***
Ich hatte nicht den Ehrgeiz, mich mit einer Bande blutgieriger Gangster anzulegen. Ich machte kehrt und entfernte mich so lautlos und behutsam, wie ich gekommen war. Dann trat ich den Rückmarsch an. Ich hatte nur noch den Wunsch, über das Funkgerät mit der FBI-Station in Honolulu Verbindung aufzunehmen und ein Boot des Küstenschutzes zu alarmieren.
Ich glaubte zu wissen, daß ich die Mörderclique entdeckt hatte. Ihr Chef hieß Ronald B. Sharon. Ein Mann mit dunkler Stimme und einem modulationsfähigem Harvardakzent. Es gab noch ein Dutzend Dinge, die der Klärung bedurften, aber das würde sich entweder auf Hawaii oder in New York erledigen lassen. Hauptsache, die Bande kam erst einmal hinter Schloß und Riegel.
Nach etwa zwei Stunden hatte ich den verlassenen Hafen und die Jacht
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