Jerry Cotton - 0555 - Der Moerderboss von Honolulu
traf.
Aber wer war der Mörder? Und war Stapleton das einzige Opfer, das auf sein Konto ging?
Das bezweifelte ich. Ich dachte an Nelson Algren, und ich dachte an Renson und an die anderen Männer, die in dieser Gegend verschwunden waren.
Ich war dabeigewesen, als Nelson Algren ermordet wurde. Er war nicht das Opfer eines einzelnen geworden. In dem roten Pontiac hatten zwei Männer gesessen. Es war anzunehmen, daß hinter ihnen noch andere standen, eine ganze Organisation vielleicht.
Was bezweckten sie mit ihren Morden? Jedes Verbrechen hat ein Ziel. Offenbar ging es den Mördern nicht um Geld. Versuchten sie ihre abwegigen und sadistischen Triebe mit diesen bestialischen Verbrechen zu befriedigen? Waren es Angehörige eines Geheimklubs, der wie ein wilder Stamm Ritualmorde plante und von seinen Mitgliedern verüben ließ?
Das hörte sich verrückt an, aber Verrückte tun nun einmal keine normalen Dinge. Trotzdem spürte ich, daß die Wahrheit nicht so einfach war, wie ich sie mir auszumalen versuchte. Es mochte zutreffen, daß die Täter nicht im üblichen Sinne normal waren, aber das bedeutete keineswegs, daß sie nicht mit einem eiskalt funktionierenden Verstand und mit äußerster Cleverness arbeiteten.
»Ich kümmere mich um dich, Stapleton«, sagte ich leise und wie zu mir selbst. »Und ich schwöre dir, daß dies hier seine Sühne finden wird.«
Ich ließ das Fenster und die Läden offen. Ich ging in die Diele, machte aber nochmals kehrt, weil mir einfiel, daß ich noch nicht einmal herausgefunden hatte, wer der Besitzer des Hauses war, das für mich allerdings kein Haus mehr war, sondern ein Grab.
Ich öffnete die Schubladen des Sideboards, ich schaute mir das Innere der Schränke und Kästen an — umsonst. Ich fand weder Kleidung noch Papiere, ich entdeckte nichts, was einen Hinweis auf den oder die Menschen erlaubt hätte, die einmal in diesem Haus gewohnt hatten.
Als ich dann die Diele betrat, stoppte mich der Anblick des Zylinders auf der Hautablage. Ich nahm ihn behutsam herunter. Es war ein teures Exemplar von Rochester & Wilson, London. Der Zylinder war mit einem schweren purpurfarbenen Seidenfutter ausgelegt. Im Schweißband befanden sich die Initialen R. B. S.
Ronald B. Sharon! dachte ich sofort. Ich legte den Zylinder auf seinen Platz zurück und begann zu ahnen, wie er hierhergekommen war.
Ich verließ den Bungalow. Das Meer war ruhig und wie mit glühendem Gold übergossen. Ich starrte in die Ferne, ohne den Zauber der Abendstimmung bewußt in mich aufzünehmen.
Ronald B. Sharon. Ich war so gut wie sicher, daß er der Mann war, den es zu jagen und zu stellen galt.
Ich machte kehrt und begab mich auf den Rückweg. Gerade, als ich den schmalen Pfad betreten wollte, der sich serpentinenmäßig ins Tal schlängelte, sah ich das Licht.
Eigentlich war es nur der Widerschein eines Lichtes. Es befand sich schätzungsweise drei oder vier Meilen vom Bungalow entfernt. Ich konnte nicht erkennen, ob es von einer Laterne, einer Hausbeleuchtung oder von Wagenscheinwerfern erzeugt wurde, oder ob es aus irgendeinem Hausfenster fiel und nach oben strahlte. Das Licht bewegte sich nicht. Ich prägte mir seine Richtung und seine Lage ein. Dann begann ich mit dem Abstieg.
Als ich die Straße erreicht hatte, war es fast schon dunkel. Glücklicherweise war es nicht schwierig, das helle Band der Straße zu erkennen, das sich ziemlich gerade durch den dichten Wald zog. Nach meinen Berechnungen führte die Straße direkt auf das geheimnisvolle Licht zu.
Ich zögerte keine Sekunde und setzte meinen Weg ins Innere der Insel fort. Ich mußte erfahren, was es mit dem Licht für eine Bewandtnis hatte. Wer auch immer auf dieser Insel lebte, mußte wissen, warum der FBI-Agent Stapleton hier ermordet und mumifiziert worden war.
Oder setzte ich zuviel voraus? Sicherlich gab es auf der Insel eine Reihe von Jagd- und Wodienendhäusern, die von ihren Besitzern nur gelegentlich benutzt wurden. Weshalb hätte es einem dieser Leute einfallen sollen, ein fremdes Haus zu betreten? Nach der Staubschicht zu schließen, die ich in dem Bungalow angetroffen hatte, war ich der erste gewesen, der den toten Stapleton gesehen hatte.
Der erste nach seinem Mörder.
Ich merkte, wie ich die Fäuste ballte und die Zähne so hart aufeinanderpreßte, daß es schmerzte. Ich wußte, daß es sinnlos und töricht war, eine Aufgabe mit missionarischem Eifer zu betreiben, aber ich war außerstande, diesen brennenden Ehrgeiz zu stoppen. Ich
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