Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen
stand ein schwarzes Aktenköfferchen.
»Sie kommen spät«, sagte er.
Ich setzte mich ihm gegenüber. Zwischen uns war nur ein niedriger Klubtisch. »Ich wurde auf gehalten«, behauptete ich.
»Haben Sie die Ware?« fragte er. Er war ziemlich nervös. In seinem Hemd hatten sich unter der Achsel tellergroße Schweißflecken gebildet. Wahrscheinlich wartete er schon seit Stunden.
»Klar«, nickte ich. »Und wie steht es mit Ihnen?«
Er hob das Aktenköfferchen auf die Couch und entnahm ihm drei Banknotenbündel.
Die Banderolen, die das Geld zusammenhielten, waren weiß aus neutralem Papier. Es handelte sich um Fünfzigdollarnoten. Insgesamt schienen es fünfzehnhundert Bucks zu sein. Er schob mir die Bündel zu. »Zählen Sie nach«, forderte er mich auf.
Ich zählte sehr langsam, um Zeit zu gewinnen. Es war klar, daß der Bursche mich mit jemand verwechselte. Aber mit wem?
»Wo haben Sie denn Ihren Kollegen gelassen?« fragte er mich.
Ich schaltete sofort. »Steht Schmiere!« sagte ich.
Mir dämmerte, daß der Bursche zwei kleine Gangster telefonisch dazu aufgefordert hatte, die Fotonegative aus dem Taburin zu stehlen. Die Übergabe der Bilder und die Bezahlung des Jobs sollten hier in Parkers Wohnung erfolgen. Offenbar wußte mein Gegenüber nicht, wie seine Komplicen aussahen; er wußte auch nicht, daß sie vermutlich noch immer hofften, die Ware zu ergattern.
»Hm«, brummte er. Seine Zigarre war ausgegangen, aber er nuckelte noch immer daran.
»Stimmt nicht«, sagte ich und warf das Geld zurück. »Es sind nur fünfzehnhundert.«
Er starrte mich an, erstaunt und gereizt. »Na und?« fragte er. »Wie abgemacht!«
Ich lehnte mich zurück und verschränkte mit provozierender Langsamkeit die Arme vor der Brust. Zuweilen macht es Spaß, einen Kriminellen zu mimen. »Vielleicht«, stellte ich gedehnt fest, »waren wir bei dieser Abmachung etwas voreilig. Wir wußten leider nicht, was die Fotos wert sind.«
»Was soll das heißen?« raunzte er.
Ich lächelte ihm in die Augen und legte den Kopf zur Seite. »Wir verlangen das Dreifache«, sagte ich grinsend.
Auf seiner Stirn bildete sich eine senkrecht von der Nasenwurzel hochsteigende Falte. »Haben Sie den Verstand verloren?« wollte er wissen.
Ich grinste stärker. »Das könnte man nur behaupten, wenn ich für Fünfzehnhundert verkaufen würde.«
»Ich bin keine Bank auf Socken«, meinte er unwirsch. »Mehr Geld habe ich nicht bei mir. Los, entscheiden Sie sich.«
»Habe ich schon. Viertausendfünfhundert, Mister — das ist ein vernünftiger Preis.«
Er biß sich auf die Unterlippe. »Erst möchte ich feststellen, ob Sie die Ware auch tatsächlich dabei haben.«
Ich zog die Negativtasche aus dem Jackett und legte sie auf den Tisch. Er schnappte sie sich und hielt den Streifen gegen das Licht. Ich verfolgte seinen funkelnden Blick und bemerkte, wie er etwa in der Mitte des Streifens haltmachte und ein einzelnes Bild besonders scharf fixierte. Dann legte er den Streifen aus der Hand. »Also meinetwegen«, meinte er. Er öffnete den Koffer zum zweitenmal, wobei er darauf achtete, daß mir durch den aufgeklappten Deckel der Einblick verwehrt wurde. Als er seine Hand mit einem plötzlichen Ruck zurückzog, umspannte sie eine Bernadelli Automatik.
»Aufstehen!« sagte er. Er sagte es weder sehr laut noch sonderlich erregt, aber gerade seine Ruhe gab der Aufforderung eine besondere Autorität.
Ich erhob mich protestierend. »Verschränken Sie die Hände im Nacken!« unterbrach er mich. Ich gehorchte. Erst jetzt grinste auch er — spöttisch, selbstsicher und gar nicht mehr nervös. Er nahm seine erkaltete Zigarre aus dem Mund und schnippte sie achtlos ins Zimmer.
»Ich könnte Sie jetzt mit Blei garnieren«, meinte er höhnisch. »Das würde mir Spaß machen. Aber ich will Ihnen diese Lektion ersparen. Krallen Sie sich das Geld und stinken Sie ab — aber rasch!« Seine letzten Worte waren wie Peitschenschläge.
»Sie gehen ganz schön ’ran, Mister«, sagte ich und nahm die Hände aus dem Nacken. Ich beugte mich nach vorn, um das Geld aufzunehmen. Zumindest tat ich so. Seine Pistole war nur um Inches von mir entfernt.
Ich ließ plötzlich die rechte Hand hochzucken und erwischte mit der Handkante sein Armgelenk. Ich traf ihn hart und erstaunlich genau. Die Pistole flog ihm aus den Fingern. Dabei löste sich ein Schuß. Die Kugel bohrte sich in die Zimmerdecke und hinterließ ein kleines weißes Wölkchen atomisierten Putzes.
Ich hatte keine
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