Jerry Cotton - 0560 - Den Tod auf Flaschen gezogen
Tasche. Aus den Augenwinkeln heraus hatte ich gesehen, daß der Mann mit dem Aktenköfferchen etwas abbekommen hatte.
Der Lärm der Schüsse glich einem höllischen Trommelwirbel, es war ein brüllendes, infernalisches Stakkato. Querschläger pfiffen durch den Raum.
Der Schütze war höchstens fünfzehn Yard von uns entfernt. Ich peilte unter dem Fairlane hindurch, sah den Mann aber nirgendwo stehen. Entweder saß er in einem Wagen, was unwahrscheinlich war, weil er damit seinen Schußwinkel begrenzte, oder seine Beine wurden von einem Wagenrad gedeckt.
Stille.
Die Stille war enervierend, lastend, eine Ruhe vor dem Sturm. Sie wurde nur einmal vom Stöhnen des Getroffenen durchbrochen. Es war ein Stöhnen, das seine beginnende Bewußtlosigkeit ankündigte. Der Verletzte lag nur vier Schritt von mir entfernt. Das Köfferchen war seiner Hand entfallen. Es war aufgegangen. Das Dollarbündel war herausgerutscht.
Ich sah, wie etwas zielstrebig auf das Geld zukroch, langsam zwar, aber sehr beharrlich.
Blut.
Ich konnte den Blick nicht davon abwenden. Die Szene war von hintergründiger Symbolik. Das Blut lief unter dem Körper des Verletzten hervor und wurde von dem Dollarbündel aufgesogen. Es war fast so, als müßte der junge Mann mit seinem Herzblut dafür bezahlen, daß er dieses Geld geraubt hatte.
Ich zwang mich dazu wegzusehen. Jetzt war nicht der rechte Augenblick für Vergleiche dieser Art.
Noch immer herrschte in der Garage Stille — eine trügerische Ruhe. Ich vertauschte die Bernadelli gegen meinen Smith and Wesson. Ich hatte eine Idee. Mir war klar, daß ich gegen einen Profi kämpfte. Bestimmt würde er die Schüsse zählen, die ich abfeuerte…
Ich drückte ab, nachdem ich mich aufgerichtet hatte und zu wissen glaubte, hinter welchem Wagen sich mein Gegner verbarg. Im nächsten Moment zeigte er sich. Er schoß jetzt mit einer Pistole. Offenbar führte er ein ganzes Waffenarsenal bei sich.
Er zog sich während des Feuerns zurück, ohne sich dabei zu beeilen. Er zeigte sich immer nur kurz und schoß ziemlich genau. Es gibt einige Dinge, an die man sich im Leben einfach nicht gewöhnen kann. Das Warten. Hochsommer in New York. Dauerregen im Herbst. Und Kugeln, die einem haarscharf am Kopf vorbeifliegen. Nur kann man diese Dinge nicht ändern, man muß sie in Kauf nehmen und hoffen, daß man stets um den entscheidenden Millimeter genauer schießt, und um den lebenswichtigen Sekundenbruchteil früher…
Ich ballerte den Revolver leer.
Dann kam das berühmte hohle Klicken, als der Bolzen in das leere Trommelfach schlug. Ich konnte zufrieden sein. Die Akustik in der Garage war brillant. Das Klicken war deutlich genug zu hören. Dann geschah das, was ich erwartet hatte.
Hinter einem roten Cadillac richtete sich der Schütze auf. »Aus!« höhnte er grinsend. »Komm her, mein Junge, du bist am Ende!«
Ich starrte ihn über die Wagendächer hinweg an. Uns trennten gut ein Dutzend Autos voneinander. Ich sah den Mann zum erstenmal. Er hatte ein schweißfeucht glänzendes Gesicht und dunkle Augen. Auf seinem Kopf trug er einen hellen Panamahut. Er hatte die verschlagenen Züge des Gangsterprofis und war zwischen vierzig und fünf und vierzig Jahre alt.
»Du hättest eine Kugel in der Kanone lassen sollen«, spottete er. »Für dich selber! Nun muß ich dir den Rest geben…«
Als ich begriff, daß er tatsächlich vorhatte, mich abzuservieren, ging ich in Deckung. Ich hatte dabei keine Zeit, über die vermutlichen Zusammenhänge des Überfalls nachzudenken. Im Moment ging es um das nackte Leben. Ich hörte, wie der Gangster auf leisen Sohlen herankam. Er bewegte sich noch immer sehr vorsichtig, wohl aus Instinkt und Erfahrung, aber natürlich war er davon überzeugt, daß ich mein Pulver verschossen hatte. Er setzte voraus, daß ich keine zweite Waffe besaß.
»Zeig dich, Freundchen!« spottete er. »Ich will dir…«
Ich zuckte hervor und drückte ab, noch ehe er eine Chance fand. Die Maschinenpistole polterte aus seinen Händen zu Boden. Die empfindliche Automatik reagierte sauer. Ein paar Kugeln zischten über den Betonboden, dann war Ruhe.
Ich sah, wie der Gangster mit seiner Verblüffung, mit dem auf kommenden Schmerz und der jähen Furcht fertig zu werden versuchte.
Mit der unverletzten Linken umklammerte er sein getroffenes Handgelenk. Zwischen den Fingern sickerte das Blut hervor. Er preßte seine Lippen so fest zusammen, daß sie einen blutleeren scharfen Strich bildeten. Er hielt sieh noch
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