Jerry Cotton - 0562 - Die Peitschenmaenner
Jedenfalls hörte ich, daß sie es in ihrer Jugendzeit toll getrieben haben. Weiß man schon etwas über Mr. Wagoner? War er im Haus, als es passierte?«
»Nein, es ist noch nichts bekannt«, erwiderte ich geistesabwesend. Harwarth kennt also diesen Mr. Wagoner, überlegte ich.
Phil stieß mich an. »Wollen wir nicht weiter, Jerry?«
Ich schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nicht mit meinem Wagen. Ich möchte, daß er genauso untersucht wird wie das Auto von Mr. Harwarth.«
Ich rief in unserer Dienststelle an und gab einen kurzen Bericht. Mr. High wollte uns noch in dieser Nacht sehen.
»Fahren wir also doch mit dem Jaguar«, meinte Phil.
»Ja, aber ich werde mir Handschuhe anziehen.«
***
Wir hatten kaum zwei Stunden geschlafen, als wir morgens um acht Uhr in Oaks Village aufkreuzten. Das Haus von Mr. Harwarth lag in der Langston Avenue, ganz in der Nähe des Gien Oaks Golf Club.
Es war eine ausgesprochen ruhige Gegend. Von der Little Neck Bay wehte eine erfrischende Brise herüber.
»Wird ein heißer Tag«, meinte Phil doppelsinnig, als wir vor dem Gartentor von Mr. Harwarth standen und auf die Klingel drückten.
Eine ältere Frau, vielleicht sechzig Jahre alt, trat vor die Haustür.
»Sie wünschen?« rief sie zu uns herüber.
»Wir möchten Mr. Harwarth sprechen«, erwiderte ich.
»Mr. Harwarth ist noch nicht auf gestanden«, sagte sie mürrisch. »Kommen Sie später wieder.«
»Sind Sie Mrs. Harwarth?«
Über ihr grobknochiges Gesicht flatterte ein kaum merkliches Lächeln. »Nein, Mrs. Harwarth ist verreist. Sind Sie Vertreter?«
»Was gibt es denn, Anny?« hörten wir eine Männerstimme ungeduldig rufen. »Sie wissen doch, daß ich morgens nicht gestört werden möchte.«
Sie warf uns einen fragenden Blick zu.
»Sagen Sie, yir kommen wegen Mr. Harwarth’ Wagen und…«
Sie ließ mich nicht ausreden, sondern kam den Plattenweg entlang und öffnete das Gartentor.
»Wenn Sie wegen des Wagens kommen, wird es schon richtig sein, daß ich Sie einlasse. Sie sind also doch Vertreter«, stellte sie lächelnd fest. »Mr. Harwarth sagte mir nämlich vorhin, daß er sich einen neuen Wagen kaufen möchte.«
Nun war es an uns, erstaunt zu sein. Wir hatten eher daran gedacht, daß Mr. Harwarth seinen Lincoln meinte, der in der vergangenen Nacht von den Gangstern benutzt wurde.
Sie ging voran und ließ uns in der Diele warten. Dann rief sie mit ihrer kräftigen Stimme: »Es sind die beiden Vertreter wegen Ihres neuen Wagens, Mr. Harwarth. Soll ich sie ins Wohnzimmer führen?«
Wir warteten die Entgegnung des Hausherrn nicht ab.
Mr. Harwarth trug einen Morgenmantel und hatte trotz der Wärme einen dicken Schal um den Hals gewickelt. Er stand neben dem Kamin. Im Zimmer war es dämmrig, denn die Jalousien waren heruntergelassen. Trotzdem kam er mir sofort bekannt vor.
»Mr. Harwarth?« fragte ich.
Er wandte uns sein Gesicht zu. »Sie wün…« Er brach mitten im Wort ab. Trotz des Dämmerlichts konnte ich erkennen, wie sein Gesicht plötzlich verfiel. Ich ließ mir aber nichts anmerken.
Auch Phil hatte ihn zweifellos wiedererkannt.
»Nur eine Routineangelegenheit«, sagte ich ruhig. »Mein Name ist Cotton. Das ist mein Kollege Decker. Wir sind Special Agents des FBI.«
Er machte eine fahrige Handbewegung, was wohl so etwas wie eine Aufforderung sein sollte, Platz zu nehmen.
Wir setzten uns. Mr. Harwarth trat noch weiter in den Hintergrund, so daß sein Gesicht völlig im Schatten blieb. Selbstverständlich hatte auch er uns erkannt. Immerhin hatte er uns vor knapp zehn Stunden zur Hölle schicken wollen.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er heiser.
»Wir haben Ihren Wagen gefunden, Mr. Harwarth. Wurde er Ihnen gestohlen?«
»Ja, richtig, das hatte ich fast vergessen.«
»Haben Sie schon eine Anzeige gemacht?«
»Ja — das heißt, ich glaube nicht.«
»Wann wurde Ihnen der Wagen gestohlen?« fragte Phil freundlich. »Gestern? Oder erst heute nacht? Auf der Straße oder aus der Garage?« Die Fragen prasselten auf ihn ein, ohne daß wir eine Antwort erwarteten. Denn wir waren uns vollkommen sicher, wen wir vor uns hatten.
»Haben Sie ihn heute nacht benutzt?«
»Sind Sie zurückgelaufen, oder nahmen Sie ein Taxi? Vielleicht einen Leihwagen? Einen roten Jaguar…«
Er griff in den Morgenmantel. Doch da war Phil mit einem Hechtsprung bereits bei ihm und preßte ihm die Arme auf den Rücken.
Ich trat dicht vor ihn hin. »Aber, aber«, sagte ich tadelnd. »So benimmt sich doch kein guter
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