Jerry Cotton - 0562 - Die Peitschenmaenner
Meinungsverschiedenheiten schienen an der Tagesordnung zu sein. Vielleicht nahm er an, daß ihn einer seiner Kumpel in die Zange nehmen wollte.
»Ja, so ist das«, sagte ich, »und ich würde Ihnen raten, keine falsche Bewegung zu machen.«
Langsam schien es bei ihm zu dämmern, daß wir von der anderen Seite waren. Phil trat blitzschnell an ihn heran und tastete ihn nach Waffen ab.
Als der Lichtkegel nicht mehr sein Gesicht traf, konnte er uns sehen. Er erkannte uns sofort, und seine Haut wurde um einige Nuancen blasser. Er brachte kein Wort heraus. Was hätte er auch sagen sollen? Die Situation war eindeutig. Und Don Sayes war ein Profi, der genau wußte, wann er den Mund aufmachen oder ihn halten mußte.
Im Augenblick hielt er Schweigen für die beste Taktik. Auch als Phil die Handschellen um seine Gelenke knacken ließ, gab er keinen Laut von sich.
»Warte hier«, sagte ich zu Phil. »Ich will mich oben noch ein bißchen Umsehen.«
Ich stieg die Treppe hoch, kam wieder in einen Raum, der allerdings leer war, und von dort in den Heizungskeller. Die Tür war so raffiniert getarnt, daß ich sie wohl nie gefunden hätte, wenn ich vom Heizungskeller aus gekommen wäre.
Aber nun wußte ich, wie die Bande in das Stadthaus gelangte, ohne die offiziellen Eingänge zu benutzen. Der Heizungskeller hatte nämlich nur einen direkten Zugang zu den Büroräumen, aber zwei in den Hof.
Der Zugang nach innen war stets verschlossen, wie mir Cook versichert hatte. Die Schlüssel besaßen der Hausmeister und ein Heizungsmonteur. Nur selten kam jemand in diese Räume, da die gesamte Anlage vollautomatisch lief.
Für die Gangster war diese Aufteilung geradezu ideal.
Ich verschloß die obere Tür und ging in die tieferliegenden Räume zurück.
Entweder wußte Don Sayes wirklich nicht, was das Syndikat in den nächsten Stunden plante, oder er hatte den Schock seiner Verhaftung noch nicht überwunden.
Jedenfalls bekamen wir kein Wort aus ihm heraus. Nur einmal öffnete er den Mund, um Phil einen Fluch an den Kopf zu schleudern.
Wir stiegen mit ihm die Wendeltreppe hoch.
Mike hatte inzwischen auch den Tresor geöffnet und war damit beschäftigt, die Sendeanlage zu zerlegen.
Ich hielt es für richtig, noch einige unserer Kollegen hinzuzuziehen, denn nach den bisherigen Funden mußte das Stadthaus bis zum letzten Winkel durchsucht werden.
Phil telefonierte deswegen mit dem Chef.
Als er den Hörer auf legte, grinste er zufrieden. »Steve wird in einer halben Stunde hier sein. Langt’s noch?«
Ich blickte auf die Uhr. »Ich glaube nicht, daß sie vor Mitternacht etwas unternehmen«, sagte ich. »Aber je früher wir von hier loskommen, desto besser ist es.«
Denn wir hatten in dieser Nacht noch einiges vor.
***
Die Tische waren hufeisenförmig angeordnet und mit schwarzem Filz abgedeckt. An den fensterlosen Wänden hingen schwarze Tücher. Es war eine unheimliche Atmosphäre. Und obwohl Oakland diese Geheimsitzungen der obersten Bosse kannte, überlief ihn ein Frösteln, als er von einem herkulisch gebauten Neger vor das Tribunal geführt wurde.
Elf Männer saßen um die Tische herum. Ein Platz war frei. Es war der Stuhl, auf dem sonst Oakland zu sitzen pflegte. Denn auch er gehörte dem obersten Rat an.
Jetzt mußte er stehen. Elf Augenpaare durchbohrten ihn. Keiner sprach. Auch als der Neger den Raum schon mehrere Minuten verlassen hatte, wurde noch kein Wort gesprochen.
Die Bosse wußten, wie man einen Mann gar kocht.
Auf Oaklands Stirn bildeten sich feine Schweißtropfen. Immer wieder versuchte er sich einzureden, daß eigentlich nichts schiefgehen konnte. Vielleicht wurde er mit einer hohen Geldstrafe belegt oder in einen niederen Rang versetzt. Das war aber auch alles, was er für sich befürchtete.
Torfino würde ihnen bestätigen, daß die Kisten mit den falschen Banknoten vorhanden waren, daß sie mit in die Luft gesprengt werden mußten, weil es einfach keine Möglichkeit für den Abtransport gab.
Timothy Oakland, Kentucky, stand vor seinen Richtern. Und nun wurde zum erstenmal deutlich, was Tok bedeutete. Es waren die Anfangsbuchstaben seines Namens und der Anfangsbuchstabe des Staates, in dem er seine Karriere innerhalb des Syndikats begonnen hatte.
Als Chef des Distrikts Westküste trugen seine Tarnfirmen diese Buchstaben ebenfalls in ihrem Namen. So zum Beispiel Tansing, Older & Kelly. Diese Art der Tarnung hatte sich bewährt. Die Eingeweihten wußten sofort, wem der Distrikt unterstand und wer die
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