Jerry Cotton - 0565 - Ein Teenager soll sterben
regelmäßig her, um sich danach zu erkundigen, welche Fortschritte June macht. Das letztemal konnte ich ihm berichten, daß sie die Klassenbeste in Mathematik ist.«
»Welche Hobbys hat sie?«
»Lernen, nehme ich an, es ist das beste Hobby, das man einer Schülerin wünschen kann.«
»Natürlich«, nickte ich. »Aber sucht sie nicht irgendeinen Ausgleich?«
»Sie schwimmt sehr gern. Sie gehört sogar einem Schwimmverein an.«
»Hat sie einen Freund?«
»Das weiß ich nicht«, meinte Miß Farnhurst. »Die meisten Siebzehnjährigen haben einen, sogar jene, die nicht im entferntesten so hübsch wie June sind. Unsere Schüler bemühen sich sehr um June — sie ist schließlich die Schönste der Schule —, aber ich habe nicht den Eindruck, daß June sich etwas aus ihnen macht.«
»Welchen Eindruck haben Sie von Mr. Forster?«
»Er ist ein hochgewachsener, sehr seriös und ernst wirkender Mann.« Sie lächelte. »Meines Wissens heißt er ja auch Ernest. Es scheint fast so, als wollte er seinem Namen Ehre machen. Fest steht, daß er June abgöttisch liebt.«
»Halten Sie ihn für einen strengen Erzieher?«
»June braucht keine harte Hand. Sie ist anpassungsfähig und gehorsam.«
»Wann verläßt Junes Klasse heute die Schule?«
Miß Farnhurst blickte auf ihre Uhr. »In einer Stunde, Sir.«
Ich bedankte mich und ging. Den Chevy hatte ich dem Trinidad-College genau gegenüber geparkt. Ich setzte mich hinein und stellte eine Sprechfunkverbindung mit dem Office her. Chicago war mit seinen Ermittlungen noch nicht viel weiter gekommen, aber man bezweifelte inzwischen, daß es sich bei Suzy Bakers Tod um Selbstmord handelte. Suzy Baker hatte keinen Grund gehabt, sich umzubringen. Ihr Bankkonto war dick genug gewesen, um zwei, drei Jahre davon gut leben zu können. Außerdem hatte eine Überprüfung ihrer Vergangenheit gezeigt, daß sie selten länger als drei bis sechs Monate die ständige Begleiterin eines Mannes gewesen war.
Ich wartete, bis June aus der Schule kam. Sie überquerte mit drei anderen Girls die Straße. Man hätte die Mädchen für Schwestern halten können — alle trugen plissierte Röcke und weiße Schulpullover mit blau-rot eingefaßten Rändern.
Ich verbarg mein Gesicht hinter einer Zeitung und wartete, bis die Teenager meinen Chevy passiert hatten. Dann stieg ich aus und folgte ihnen. Ich sah, daß ein zweiter Mann sich in Bewegung setzte, und erkannte in ihm den typischen Revierdetektiv. Die Mädchen stürmten einen Drugstore und setzten sich an den Tresen. Der Revierdetektiv folgte ihnen und durchwühlte den Zeitschriftenstand. Ich blieb draußen und wartete. Die Schülerinnen bestellten sich Eiskrem und Milch-Shakes. June verließ den Drugstore als erste. Sie ging zu Fuß nach Hause, erstaunlich unbekümmert und selbstsicher, wenn man bedachte, was sie inzwischen von mir erfahren hatte. Möglicherweise war sie außerstande, sich vorzustellen, daß ihr am hellichten Tage etwas zustoßen könnte.
Ich folgte ihr nur einige Straßenblocks weit, dann machte ich kehrt und fuhr zur Mordkommission. Ich wollte hören, wie weit die Kollegen mit ihren Ermittlungen im Mordfall Rowles gekommen waren.
Der Fall wurde von Detective Lieutenant Spiker bearbeitet, einem energischen, aber nervösen Mann, der hait und methodisch arbeitete und immer etwas übermüdet aussah.
Er konnte mir nur mitteilen, aus was für einem Gewehr die Schüsse abgegeben worden waren, wie groß die Entfernung zwischen dem Schützen und seinen Opfern gewesen war, und welche organischen Verletzungen seinen Tod bewirkt hatten.
»Der Einschußwinkel gibt der Zeugin recht, die gesehen haben will, daß aus einem Wagen gefeuert wurde«, schloß er. Er ordnete einige Notizzettel, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Chicago hat inzwischen Rowles’ Haus durchsucht, und zwar gründlich. Es wurde nichts Belastendes gefunden — vor allem keinerlei Hinweise darauf, daß er für J. F. T. arbeitete.«
Ich dachte an Rowles’ letzten verzweifelten Versuch, Junes Foto zu verbrennen. »Rowles war ein vorsichtiger Mann.«
»Trotzdem war er nicht vorsichtig genug«, sagte Spiker. »Sonst wäre er wohl noch am Leben. Was werden Sie als nächstes unternehmen, Sir?«
Ich stand auf. »Ich spreche mit Ernest Forster«, antwortete ich. »Vielleicht hätte ich damit beginnen sollen.«
***
Forster entsprach ziemlich genau der von Miß Farnhurst gegebenen Beschreibung. Sogar in seiner Gefangenenmontur machte er einen ernsten, seriösen
Weitere Kostenlose Bücher