Jerry Cotton - 0577 - Staatsempfang fuer einen Moerder
grauer als die eigentlichen Kalziumtabletten gewesen, aber James Ridge hatte diesem Umstand begreiflicherweise keine Beachtung geschenkt.
Eine Befragung der Officeangestellten hatte ergeben, daß James Ridge die Kalziumpackung nicht selten auf seinem Schreibtisch liegen gehabt hatte. Demzufolge gab es eine Reihe von CIA-Beamten, die in der Lage gewesen waren, die Schachtel für kurze Zeit an sich zu nehmen, um die Tabletten zu vertauschen — aber eine erste Untersuchung dieses Punktes erbrachte kein Motiv für eine solche Tat. Im übrigen waren am fraglichen Tag rund fünfzehn Mitarbeiter in Ridges Office gewesen. Die Namen waren auf einer Liste enthalten. Bei keinem ergab sich ein erkennbarer Beweggrund für die Tat.
Darüber hinaus war ermittelt worden, daß Ridge die Tabletten nachmittags einnahm. Es bestand demzufolge die Möglichkeit, daß sie am Vorabend in seiner Wohnung vertauscht worden waren.
Ich legte den Bericht aus der Hand.
»Arnold Wyler ist tot«, sagte ich.
Phil starrte mich an. »Und du warst dabei«, meinte er.
Ich hob die Augenbrauen. »Woher weißt du das?«
»Du bist immer dabei, wenn etwas passiert. Ein ausgesprochener Unglücksrabe«, sagte Phil. Es sollte ein Witz sein, aber ich hatte dabei einen bitteren Geschmack im Mund. Das Telefon klingelte. Helen, Mr. Highs Sekretärin, war an der Strippe. Sie bat uns zu einem Bericht in das Chefbüro.
»Was ist mit diesem Hank, dem Freund von Nora Cassel?« fragte ich Phil auf dem Weg dorthin.
Phil gab mir einen Zettel. Dort stand darauf:
Hank Wade Brooklyn, New York, 628 Ralph Avenue
»Fabelhaft«, lobte ich. »Hast du ihn gesprochen?«
»Er war nicht zu Hause, aber er ist fraglos der Mann, den du suchst. Sein Aussehen stimmt mit dem Bild überein, das Peiker in deinem Auftrag von dem Burschen anfertigte.«
»Wade also, und nicht Miller«, sagte ich und steckte den Zettel ein.
»Das hat nicht viel zu besagen. Wenn er sich dem Girl gegenüber einen anderen Namen zulegte, so ist das noch nicht strafbar.«
Als wir das Chefbüro betraten, kam uns Mr. High auf halbem Wege entgegen. Wie immer beeindruckte er mich durch seine straffe Haltung und die jugendliche Spannkraft seines Schrittes, die seinem Alter Hohn zu sprechen schien. Seine hellen Augen waren freundlich und wach zugleich, es waren die Augen eines Mannes, der es gewohnt ist, rasch, logisch und konsequent zu denken, und der das Talent hat, Denken sofort in Handeln umzusetzen.
Wir nahmen an seinem Schreibtisch Platz. Ich berichtete, was ich im Haus der Wylers erlebt hatte.
Mr. High stellte keine Zwischenfragen. In gewisser Weise bildeten wir das ideale Team. Unterbrechungen erfolgten nur dann, wenn sie einen konstruktiven Nutzen hatten.
»Was schlagen Sie vor, Jerry?« wollte er nur am Schluß meines Berichtes wissen.
»Wir quartieren das Mädchen um«, sagte ich. »Und zwar sofort. Der Mörder kann es sich nicht leisten, daß Viola Lavola am Leben bleibt. Er wird versuchen, sie im Krankenhaus zu töten. Wir müssen ihm eine Falle stellen.«
»Veranlassen Sie das«, nickte Mr. High. Das Telefon klingelte. Er nahm ab, sagte »Danke« und legte wieder auf.
»Mr. Griffith hat soeben das Grand Central verlassen«, erklärte er. »Der Hausmeister hat die Bewußtlose zweifelsfrei als Viola Lavola identifiziert.«
***
Es gibt Aktionen, die denkbar simpel erscheinen und in der Praxis eine Menge Arbeit verursachen. Die Umquartierung von Viola Lavola war dafür ein Paradebeispiel.
Ein großes Krankenhaus ist wie ein riesiger lebender Organismus. Pfleger, Schwestern und Assistenzärzte unterhalten, oft völlig ungewollt, eine Art Nachrichtensystem, das geradezu perfekt funktioniert und selbst die kleinsten Angestellten über wichtige Veränderungen auf dem laufenden hält.
Um zu vermeiden, daß Viola Lavolas Umquartierung bekannt wurde, mußten wir uns einiger Tricks bedienen, die selbstverständlich nur mit Wissen und Genehmigung einiger Oberärzte ausgeführt werden konnten.
Der Tausch wurde im Operationssaal vorgenommen. Mit einem dicken Kopfverband versehen, wurde eine Puppe in Viola Lavolas Zimmer gebracht. Eine verläßliche Schwester wurde dazu abkommandiert, das Unternehmen zu decken und den Pflegedienst zu übernehmen.
Zur gleichen Zeit wurde die behandelte, aber noch immer bewußtlose Viola Lavola unter dem Decknamen Ruth Shubert in ein Einzelzimmer des Krankenhauses verlegt — als das angebliche Opfer eines Verkehrsunfalles.
Der Raum, in dem die bandagierte Puppe lag,
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