Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben
ist, bloß nichts Vernünftiges. Was hat er denn angestellt?«
»Er hat ein Flugzeug entführt. Trauen Sie ihm ein Kapitalverbrechen zu?«
»Höchstens, wenn es um ein paar Milliönchen geht«, meinte Briggs. »Dann wäre er wohl zu allem imstande. Im Grunde liegt das aber nicht auf seiner Linie. Soviel ich weiß, lebt er von der illegalen Buchmacherei.«
»Für wen arbeitete er?«
»Arbeitete?« echote Briggs verwundert.
»Floyd ist tot. Er wurde ermordet. Bei Darlington. Haben Sie eine Ahnung, ob er oft in der Gegend war?«
»Tut mir leid, Sir — so gut kennt ihn wohl keiner von uns. Wir haben schwerere Jungens im Bezirk als ihn. Was die Buchmacherei anbetrifft, sind wir auf Vermutungen angewiesen. Ich persönlich glaube, daß Floyd zum Borletti-Mob gehörte. Borletti ist der Mann, dessen Syndikat unseren Bezirk kontrolliert.«
»Danke«, sagte ich und legte auf.
Phil setzte sich. »Floyd arbeitete anscheinend für Borletti«, sagte ich. »Als Buchmacher. Es ist aber nicht anzunehmen, daß er in dieser Eigenschaft nach Springfield reiste. Welches Interesse kann das Syndikat an dem sterbenden Ort oder am Sterben des Ortes gehabt haben? Soviel mir bekannt ist, interessiert sich Lucky Borletti nur für harte Dollars.«
»Fahren wir zu ihm«, schlug Phil vor. Luigi Borletti — von seinen Freunden nur Lucky genannt — wohnte im Theaterdistrikt. In der 54. Straße besaß er ein Apartment von gewaltigen Ausmaßen. Lucky hielt nichts davon, seinen Reichtum allzu protzig zur Schau zu stellen. Das Haus, in dem er lebte, hatte eine schmutziggraue Fassade, die förmlich nach Farbe lechzte und nichts von dem Komfort und der Eleganz ahnen ließ, die dahinter steckte.
Luigi Borletti war neunundvierzig Jahre alt. Er hatte sich in dem Syndikat hochgedient und vor drei Jahren Steve Freeman abgelöst, einen Gangster, der bei einem Bandenkrieg erschossen worden war. Borletti hatte sehr umsichtig dafür gesorgt, das Syndikatsvermögen auf legale Weise anzulegen. Er hatte Betriebe aufgekauft, an der Börse spekuliert und weitgehend darauf verzichtet, Freemans kriminelle Karriere fortzusetzen. Es war keineswegs so, daß Borletti vorhatte, ein gesetzestreuer Bürger zu werden. Er war einfach der Meinung, daß man, wenn man nur genügend Geld besaß, auch durchaus legal leben konnte — und zwar gut leben konnte.
Es gab nur noch zwei Syndikatsbranchen, die Borletti getarnt weiterbetrieb: das waren seine Buchmacher und die Rauschgifttruppen. Es ging Borletti dabei nicht nur um die Erhaltung guter Einkommensquellen, er wußte auch, daß er ein paar Konzessionen an die altgedienten Syndikatsgangster machen mußte.
Borletti empfing uns in seinem großen Wohnzimmer. Er trug zu einer dunklen, scharf gebügelten Hose eine himmelblaue gesteppte Seidenjacke. Sie wurde in der Taille von einem verknoteten Gürtel festgehalten. Um den Hals hatte er sich einen purpurroten Seidenschal geschlungen. Die leuchtenden Farben kontrastierten vorteilhaft zu seinem dichten, glatt nach hinten gekämmten Haar, das an den Schläfenpartien einen silbrigen Schimmer zeigte.
Borletti war ein gebildeter, intelligenter Mann. Er konnte ungemein verbindlich und sogar charmant auftreten. Man mußte ihn schon genau kennen, um zu wissen, daß er vor nichts zurückschreckte, wenn es um die Wahrung seiner Interessen ging.
Es sprach für seine Gewandtheit, daß es ihm gelungen war, Freemans Syndikat umzubilden und weitgehend zu entschärfen. Weder das FBI noch die Polizei waren in letzter Zeit gegen Borletti vorgegangen. Er bot seinen Gegnern keine Angriffsflächen. Wenn einmal einer seiner illegalen Buchmacher oder ein kleiner Rauschgiftschlepper erwischt wurde, konnte Borletti sicher sein, daß er nicht von ihnen verraten wurde.
Borletti zeigte sich in aufgeräumter Stimmung. Er benahm sich wie ein Mann, der alte Freunde empfängt, und drängte uns förmlich in die gigantischen, aber ungemein bequemen Sessel. Ich taxierte den Wert eines solchen Sitzmöbels auf gut und gern fünfhundert Dollar.
»Ich habe einen neuen irischen Whisky bekommen«, meinte Borletti und rollte mit seinen dunklen quicken Augen. »Sie müssen ihn probieren!« Er schnappte mit den Fingern. Noch ehe Phil und ich ein Wort des Widerspruchs äußern konnten, flitzte der Diener zur Hausbar, um die Gläser zu füllen. Borletti setzte sich uns gegenüber.
»Was führt Sie zu mir, meine Herren?«
»Kennen Sie Bernie Floyd?« begann ich ohne Umschweife.
»Aber ja, selbstverständlich kenne
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