Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben
ich Bernie!« strahlte er. »Ein kleiner Spitzbube. Läuft mir immerzu in die Arme und bettelt um einen Job. Ich setze ihn zwar regelmäßig auf die Straße, aber er gehört zu den hartnäckigen Burschen, die durch die Hintertür wieder hereinkommen. Was ist mit ihm?«
»Er ist tot«, sagte ich. »Er wurde ermordet. Ich dachte, Sie könnten uns einiges über ihn erzählen.«
Borletti sah ehrlich überrascht und verblüfft aus, aber das hatte wenig zu sagen. Er war ein meisterhafter Schauspieler und konnte eine Lüge geschickt verkaufen.
»Na, das wirft mich um«, behauptete er. »Bei dem war doch nichts zu holen! Vielleicht ein Eifersuchtsdrama? Er hatte es immer mit den Weibern.«
»Kennen Sie sein Mädchen?«
»Nichts für ungut, meine Herren, aber ich war nicht sein Ziehvater.«
»Wir haben Anlaß zu der Vermutung, daß er gestern in Springfield war. Kennen Sie den Ort? Er liegt in Indianapolis.«
»Da komme ich einmal im Jahr hin, wenn das große Rennen ist«, sagte Borletti. »Von Springfield habe ich noch nie etwas gehört.«
»Haben Sie Bernie jemals beschäftigt?«
»Nein«, erklärte Borletti. »Ich bin stolz auf meine Menschenkenntnis. Er ist einfach nicht der Typ, dem man vertrauen kann. Solche Leute kommen bei mir nicht zum Zug. Was brachte Sie übrigens darauf, ihn mit mir in Zusammenhang zu bringen?«
»Es gibt Leute, die wissen wollen, daß Floyd für Sie arbeitete«, sagte ich.
»Schwätzer!« sagte Borletti verächtlich. »Ich bestreite nicht, ihn zu kennen — das ist alles.«
»Können Sie uns keinen Tip geben, weshalb er ermordet wurde?« fragte Phil.
»Tut mir leid«, meinte Borletti und zupfte an seinem roten Schal herum. »Aber ich spitze gern für Sie die Ohren. Wenn ich etwas erfahre, gebe ich Ihnen Bescheid.«
Der Diener, ein getarnter Gorilla, brachte die Gläser mit dem Whisky und stellte sie vor uns auf den Tisch. Phil und ich erhoben uns. »Vielen Dank für die Auskünfte, Mr. Borletti«, sagte ich »Wollen Sie schon gehen?« fragte er. »Probieren Sie doch erst einmal meinen Whisky, meine Herren.«
»Wir sind im Dienst«, lehnte ich ab. Schweigend fuhren Phil und ich mit dem Lift ins Erdgeschoß. Wir hatten nicht erwartet, von Borletti brauchbare Informationen zu bekommen. Eigentlich hatten wir nur feststellen wollen, wie er auf unsere Fragen reagierte. Leider ließ sich mit unseren Beobachtungen nicht viel anstellen.
Als wir den Lift verließen, blieb Phil abrupt stehen. »Was ist das?« fragte er und legte lauschend den Kopf zur Seite.
Die Geräusche schienen aus dem Keller zu kommen. Sie erinnerten an dumpfe, wie in Watte verpackte Schüsse.
»Sehen wir uns da unten ein wenig um«, schlug ich Phil vor.
Wir stiegen die Kellertreppe hinab und gelangten an eine graue Eisentür mit der Aufschrift »Kein Eintritt«. Hier waren die Schüsse sehr deutlich zu hören.
»Borletti hat sich einen Schießstand im Keller eingerichtet«, sagte ich. »Das ist noch nicht mal illegal.«
»Kommt darauf an, womit geschossen wird — und worauf«, schränkte Phil ein.
Die Tür war verschlossen. Wir entdeckten neben ihr einen kleinen schwarzen Knopf und klingelten. Ein Mann öffnete die Tür. Er war knapp dreißig Jahre alt, mittelgroß, sehr schlank und dunkelhaarig. Phil und ich sahen ihn zum erstenmal, aber wir wußten sofort, wie wir ihn einzustufen hatten. Er gehörte zu den Typen, die ihr Geld damit verdienen, daß sie rascher als die meisten ihrer Gegner ihren Revolver ziehen können.
Er stellte keine Fragen. Er starrte uns nur an.
»Decker«, sagte Phil. »Das ist mein Kollege Jerry Cotton. Dürfen wir uns mal Ihre Knallbude ansehen?«
»Bullen?« fragte der Dunkelhaarige. Er trug einen blauvioletten Anzug mit braunen Nadelstreifen.
»FBI-Agenten«, sagte Phil freundlich.
Der Dunkelhaarige wich keinen Schritt zur Seite. »Haben Sie ’n Haussuchungsbefehl?« fragte er. »Wenn nicht, können Sie ’ne Mücke machen.«
»Rufen Sie Ihren Boß an«, empfahl Phil, der seine gute Laune nicht verlor. »Er wird uns erlauben, einen Blick auf den Schießstand zu werfen.«
»Warten Sie hier«, sagte der Dunkelhaarige und warf uns dann die Tür vor der Nase zu.
»Wirklich ein Herzchen«, meinte Phil und steckte sich eine Zigarette an. Wir brauchten nicht lange zu warten. Der Dunkelhaarige ließ uns eine halbe Minute später eintreten. Er ging durch einen weißgetünchten, durch Neonröhren erhellten Korridor voran. Wir passierten eine zweite Eisentür. Es war ein ganz
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