Jerry Cotton - 0579 - Warum musste Springfield sterben
gesagt«, schränkte ich ein. »Sie sind ein berühmtes Modell — und sehr wahrscheinlich werden Sie oft auf Partys und Gesellschaften herumgereicht, nicht wahr?«
»Im Durchschnitt sechsmal in der Woche«, meinte Phyllis bitter. »Mich ödet das an! Aber bleiben wir beim Thema. Natürlich habe ich zuweilen über Springfield gesprochen. Es machte mir Spaß, die Leute damit zu schocken, daß ich, das elegante, berühmte Fotomodell, ein Mädchen vom Lande bin. Ich habe das so oft und so vielen Leuten erzählt, daß ich das Gedächtnis eines Elefanten haben müßte, um alle Gesprächspartner nennen zu können.«
»Es genügt, daß Sie sich an die Leute erinnern, denen Sie in Cuthers Haus etwas über Ihre Heimatstadt erzählten.«
»Verdächtigen Sie Cuther?« fragte sie mich. »Mein Gott, der ist Millionär! In geschäftlichen Dingen kann er sehr hart und clever sein, aber im Grunde ist er ein weicher, labiler Bursche. Ich glaube, Sie können ihn von der Liste der Verdäditigen streichen. Forschen Sie lieber nach dem Mann, der meine Cessna entführte! Er kann Ihnen sagen, was in Springfield geschah.«
»Wir haben ihn gefunden — tot«, sagte ich. »Er heißt Bernie Floyd. Kannten Sie ihn?«
Zwischen Phyllis’ Augen entstand eine dünne, steile Falte. »Bernie Floyd? Ich höre den Namen zum erstenmal. Was für ein Mensch war er, und wo haben Sie ihn gefunden?«
»In Cuthers Landhaus. Ich hätte es Ihnen schon am Telefon mitteilen können, aber ich wollte Sie nicht mit weiteren Schocknachrichten beunruhigen. Floyd war ein kleiner Ganove — allerdings einer, der fliegen konnte. Ein paar Leute behaupten, daß er für Borletti arbeitete.«
»Für Luigi Borletti?« fragte Phyllis interessiert. Ich merkte, wie sich ihr Körper spannte.
»Ja. Wie gut kennen Sie ihn?«
»Gut ist zuviel gesagt. Er war einer von den vielen, die sich um mich bemühten. Ich habe ihn abblitzen lassen.« Das ist- es also, dachte ich. Borletti ist eitel. Sein verletzter Stolz suchte nach einem Ausgleich. Deshalb ließ er Phyllis’ Foto in seinen Schießstand hängen.
»Wo lernten Sie ihn kennen?« fragte ich.
»Lassen Sie mich nachdenken«, meinte Phyllis stirnrunzelnd.' »Ich hab’s!« rief sie dann aus. »Cuther stellte ihn mir vor — draußen in Darlington. Aber das ist schon ein paar Monate her.«
»Wer war noch dabei?«
»Das kann ich nicht mehr rekonstruieren. Cuther hatte stets eine ganze Menge Gäste um sich.«
»Ich glaube, ich hab’s«, sagte ich und stand auf.
In diesem Moment klingelte es. »Erwarten Sie noch Besuch?«' fragte ich.
»Ja, den Arzt«, erwiderte Phyllis. Sie ging mit mir in die Diele. »Was haben Sie?« wollte sie wissen und berührte meinen Unterarm. »Bitte, sagen Sie es mir!«
Ich überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.«
Phyllis öffnete die Tür. Draußen stand ein jovial lächelnder älterer Herr, der seinen Bowlerhut lüftete. »Hallo, meine Liebe — da bin ich!« Er strahlte mich an und wandte sich dann wieder dem Mädchen zu. »Der Herr Verlobte? Sie haben Geschmack, Verehrteste. Darf ich eintreten?«
»Aber ich — ich hatte Dr. Kennard bestellt«, sagte Phyllis verwirrt.
»Meinen Kollegen«, nickte der Herr mit dem Bowlerhut. »Er ist leider unabkömmlich. Dick hat mich gebeten, an seiner Stelle zu kommen. Prime ist mein Name. Dr. Prime!«
Ich verabschiedete mich von Phyllis. Der Lift brachte mich ins Erdgeschoß. Als ich im Freien stand, blieb ich stehen. Ich bemühte mich, das unangenehme Empfinden zu erforschen, das plötzlich auf meinen Magen drückte. Im nächsten Moment wußte ich, was es war. Dieser Dr. Prime hatte mir nicht gefallen. Ich konnte selbst nicht recht sagen, warum.
Auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite war eine Telefonzelle. Sie war besetzt, und davor wartete eine dicke Frau. Es dauerte fünf Minuten, ehe ich drankam. In der Zwischenzeit hatte ich weder Phyllis’ Haustür noch die erleuchteten Fenster ihrer Wohnung aus den Augen gelassen.
Ich entdeckte, daß es im Telefonbuch keinen Arzt namens Prime oder Pryme gab. Dafür fand ich die Nummer eines Dr. Kennard. Ich versuchte ihn anzurufen, aber er meldete sich nicht.
Ich ging über die Straße zurück und überlegte, ob ich mit dem Lift nach oben fahren oder auf das Erscheinen dieses seltsamen Arztes warten sollte. Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte, nochmals bei Phyllis zu klingeln, stolperte jemand von hinten gegen meine
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