Jerry Cotton - 0580 - Toedliche Wetten
dürfen Sie aber wirklich nicht sagen, Mrs. Shafford. Das ist doch Unsinn. Es gibt immer wieder Polizisten, die eine Art Geheimnistick haben. Vor lauter Angst, sie könnten einem Verdächtigen etwas verraten, was ihm helfen würde, behalten sie die lächerlichsten Dinge für sich. Selbstverständlich muß man Sie informieren, wie Ihr Mann eigentlich gestorben ist. Wenn Sie wollen, will ich gern einmal bei der Polizei anrufen und mich darum kümmern.«
»Das wäre sehr nett, Mr. Lease.«
»Selbstverständlich, Mrs. Shafford. Auch wenn ich Ihnen sonst irgendwie helfen kann, brauchen Sie es mir nur zu sagen. Und jetzt will ich Sie nicht länger auf halten…«
Ich gab Phil ein stummes Zeichen. Wir huschten vom Hause weg und auf die Straße.
»Willst du noch mit der Frau sprechen, wenn Lease weg ist?« fragte Phil, während wir zu unserem Wagen gingen.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Nach diesem Gespräch möchte ich erst etwas ermitteln, bevor ich mich das nächstemal mit ihr unterhalte.«
»Was denn?«
»Ich möchte doch einmal wissen, ob Shafford eine Lebensversicherung zugunsten seiner Frau abgeschlossen hatte. Wenn ja — wie hoch sie war.«
Phil stieß einen leisen Pfiff aus. Wir saßen noch keine Minute im Wagen, als Lease zu seinem ging, einstieg und davonfuhr. Wir warteten, bis er um die Ecke verschwunden war, bevor auch ich die Scheinwerfer einschaltete und losfuhr. Bis zur Pension dösten wir schweigend vor uns hin. Es war längst nach Mitternacht, und allmählich spürten wir die Müdigkeit.
Es war Phil, der im Flur unserer Etage plötzlich stehenblieb und auf den Läufer zeigte, mit dem der Korridor ausgelegt war. Ich stutzte. Phil kniete nieder.
»Du kannst sagen, was du willst«, brummte er, »aber das sieht nach einem Blutfleck aus.«
»Dann wird sich das Zimmermädchen in den Finger geschnitten haben. Fang jetzt nicht an, Gespenster zu sehen. Ich will ins Bett.«
Zwei Schritte weiter fand Phil den nächsten. Nun kniete auch ich nieder. Es hätten tatsächlich Blutflecken sein können. Genau und ohne Hilfsmittel konnten wir das nicht feststellen. Aber Phil war wieder munter geworden und kroch jetzt auf dem Läufer weiter. Ab und zu zeigte er auf einen rostbraunen Fleck und sagte: »Da wieder. — Und hier, da — hier schon wieder!«
Beim letzten Wort stand er auf und zeigte mit dem Kopf auf die Tür, vor der er den letzten mysteriösen Fleck entdeckt hatte.
Es war die Tür zu seinem Zimmer.
Ich zog wortlos meinen Revolver. Wir sind lange genug aufeinander eingespielt, um uns in manchen, oft erlebten Situationen mit einem stummen Blick verständigen zu können. Phil legte die Hand auf den Türknauf und sah mich fragend an. Ich nickte, und er riß die Tür auf. Ich spurtete hindurch, mit dem Revolver schußbereit in der Hand.
In dem Sessel vor dem Fenster hockte zusammengekrümmt ein Mann. Seine Hose war vom Gürtel abwärts von irgendeiner Feuchtigkeit getränkt, die den Stoff matt glänzen ließ, weil sie noch nicht getrocknet war. Ich trat näher. Etwas unterhalb seiner Magengegend fand ich einen Riß in der Hose. Einen kleinen. Ein Einschußloch. Ich trat noch näher.
»Eh, Mister«, sagte ich.
Er gab keine Antwort. Er konnte es auch nicht tun, wie ich sah, als ich mich vorbeugte und in seine Augen blickte. Denn der Mann war tot.
***
Der mausgraue Haarkranz um seine Scheitelglatze schien sich zu sträuben. Unser Pensionsinhaber war ganz offensichtlich einem Ohnmachtsanfall nahe. Ich schob ihn rasch hinüber in mein Zimmer, damit er wenigstens vom Anblick des Leichnams verschont blieb.
»Setzen Sie sich erst einmal«, sagte ich und reichte ihm ein Glas Wasser. Er nippte daran, und es kehrte allmählich ein wenig Farbe in sein Gesicht zurück. »Kennen Sie den Mann?« fragte ich ihn.
Er nickte eifrig.
»Ja! Selbstverständlich! Das ist Mr. Rommstair! Ein Kollege aus dem Ministerium. Er ist Junggeselle und wohnt schon seit vielen Jahren bei uns.«
»Er wohnt hier?« wiederholte ich verdutzt.
»Ja! Seit Jahren schon. Was machen wir denn jetzt? Diese Schande überlebe ich nicht! Wenn das meine Frau wüßte! Sie würde sich im Grabe umdrehen! Ich — ich bin so durcheinander, daß ich nicht weiß, was ich…«
»Wir werden erst einmal die Polizei anrufen«, schlug ich vor, während ich schon zum Telefon griff, um NA 8282 zu wählen.
»Ja?« fragte eine Männerstimme in der Leitung.
»Hier ist Hopkins. Bei uns ist etwas passiert. Wir waren noch unterwegs. Als wir zurückkamen,
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