Jerry Cotton - 0581 - Ich und der Krallenmoerder
probierte, ob sich die Tür zum Privatbüro öffnen ließ, aber sie war verschlossen. Verschlossen waren auch die Aktenschränke und die beiden Schreibtische. Neben dem Telefon lag ein getipptes Nummernverzeichnis mit häufig gebrauchten Anschlüssen. Ich schaute es mir an und entdeckte darauf die Nummer des Hausmeisters. Ich rief ihn an. Er meldete sich sofort.
»Ich befinde mich in der siebten Etage, im Office der Firma Tradex«, sagte ich. »Kommen Sie bitte herauf und bringen Sie den Zweitschlüssel mit. Ich bin eingeschlossen worden.«
Der Hausmeister kreuzte wenige Minuten später auf. Er hieß Splinters und war ein großer einarmiger Bursche mit Vollglatze und einem verkniffenen mißtrauischen Gesicht.
»Wie, zum Teufel, kommen Sie denn hier herein?« fragte er mich. Seine Blicke huschten durch den Raum, um festzustellen, ob etwas aufgebrochen worden war.
Ich zeigte ihm meinen Ausweis. Das beruhigte ihn. Er fixierte mich scharf. »Ist etwas faul?« wollte er wissen.
»Oberfaul sogar«, sagte ich. »Wer ist der Besitzer dieses Büros?«
»Mr. Langer. Ein feiner Kerl. Tüchtig und großzügig. Handelt mit Schiffsproviant. Dieses Büro hat er schon seit fünf Jahren. Er beschäftigt nur eine Sekretärin und einen Buchhalter.«
»Wem gehört das Haus?«
»Der Firma Callaghan & Webster«, sagte Splinters. Ich erinnerte mich, den Namen in der Halle des Erdgeschosses gelesen zu haben.
»In welchem Office arbeitet Bruce Elkwood?« erkundigte ich mich. »Elkwood? Kenne ich nicht!«
»Er ist ein großer muskulöser Bursche mit auffallend stark behaarten Händen.«
»In diesem Haus arbeiten ein paar hundert Leute, und ich kenne die meisten davon. Keiner von ihnen heißt Elkwood, und keiner hat solche Affenhände.«
»Sagt Ihilen der Name Merlin etwas? Anthony Merlin?«
Splinters schüttelte seinen Kopf. »Wer soll das denn sein?« fragte er.
Ich ging nicht auf die Frage ein. »Weshalb ist das Haus nicht abgeschlossen?« erkundigte ich mich.
»Nicht abgeschlossen?« wunderte er sich. »Unmöglich! Ich war pünktlich um sieben unten und habe die Bude selber dichtgemacht.«
»Wer, außer Ihnen, besitzt noch einen Hausschlüssel?«
»Jeder Mieter«, antwortete er. »Insgesamt einhundertzwanzig Firmen oder Einzelpersonen.«
Ich verabschiedete mich und ging. Es war klar, daß mich das Gespräch mit Mr. Splinters nicht voranbringen würde. Als ich das Gebäude verließ, war Anthony Merlins großer dunkler Cadillac verschwunden.
Ich setzte mich in meinen Jaguar und rief die Zentrale. Zehn Minuten später wußte ich, daß die Firma Callaghan & Webster eine Spedition war, die sich auf die Einfuhr ausländischer Kraftfahrzeuge spezialisiert hatte. Sie gehörte zu der großen Firmengruppe, die von Ricco Manziola gelenkt wurde.
Es gab für mich keinen Zweifel, daß Anthony Merlin sich mit dem Syndikatsboß Manziola in Verbindung gesetzt hatte. Die Frage war nur, ob man Merlin dazu gezwungen hatte oder ob der Besuch freiwillig erfolgt war.
Ich wußte, daß es sinnlos war, Bruce Elkwood auf die Bude zu rücken und ihn zu fragen, weshalb er mich in Langers Office bedroht und eingeschlossen hatte. Elkwood würde bestreiten, jemals dort gewesen zu sein, und der Einwand, daß ich ihn an seinen behaarten Händen erkannt hätte, würde ihm allenfalls ein spöttisches Grinsen abnötigen.
Ich hatte auch nicht vor, sofort an Manziola heranzutreten. Erstens verspürte ich keine Lust, mich mit einem Haufen Lügen abspeisen zu lassen, und zweitens war es zweifellos klüger, dem Syndikat vorerst nicht klarzumachen, das es plötzlich in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen gerückt war. Es kam zunächst hauptsächlich darauf an, den erpreßten Merlin zu beobachten. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob er von Manziola erpreßt wurde — und weshalb — oder ob es Merlin darum ging, gegen seine Erpresser Front zu machen — und zwar mit Hilfe von Manziolas mächtiger Organisation.
Die Fragen häuften sich, ohne daß der Fall dabei klarer wurde. Ich fuhr in die City und aß wenig später in einem großen Schnell restaurant. Das Steak war Klasse, und der gratis ausgeschenkte Kaffee machte mich so munter wie einen Brummkreisel. Ich beschloß, die aufgetankte Energie nicht zu Hause verpuffen zu lassen, und betrat eine Telefonzelle, um Merlin anzurufen.
»Cotton«, meldete ich mich. »Ich möchte noch ein paar Fragen an Sie richten.«
»Fassen Sie sich kurz«, bellte er ungehalten. »Was ist es denn?«
»Wann verließ
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