Jerry Cotton - 0581 - Ich und der Krallenmoerder
bemuttern. Das nächstemal wird er es sich genau überlegen, ehe er losprügelt.«
»Wo ist der andere?« fragte ich.
»Was geht Sie das an?« knurrte der Wirt. Er stellte das Glas auf die Theke und öffnete eine Bier dose. »Fremde Händel kümmern mich nicht.«
Der Verletzte schaute mich an. Das Sprechen kostete ihm Mühe. »Bringen Sie mich hinaus, bitte«, sagte er.
»Okay«, nickte ich und legte seinen Arm um meine Schultern. Niemand sprach, als ich den Mann hinausführte.
»Ich — ich bin Ben Craig vom Zweiten Morddezernat«, sagte er, als wir auf der Straße standen. »Und Sie sind Jerry Cotton vom FBI, nicht wahr?«
»Tut mir leid, daß ich Sie nicht kenne, Ben«, sagte ich überrascht.
»Ich bin nur ein kleiner Fisch«, würgte er hervor. »Der Chef hat mich hergeschickt. Lieutenant Spencer. Ich sollte mich in der Gegend umhören. Sie wissen vermutlich, daß Fay Longines mal hier gewohnt hat.« Er machte eine kurze Pause und holte tief Luft. »Vielleicht war es dumm von mir, mit offenen Karten zu spielen. Ich habe mich in der Kneipe erkundigt, wie Fay damals war und wer ihre Freunde sind. Niemand war bereit, mich zu informieren. Als ich zur Toilette ging, folgten mir zwei junge Burschen. Im Korridor fielen sie über mich her. Ich versuchte mich zu verteidigen, aber sie waren stärker als ich. Niemand kam mir zu Hilfe. Sie trommelten mich zusammen und verschwanden.«
»Wurde Ihnen etwas gestohlen?«
Craig tastete nach seiner Brieftasche. Er holte sie aus dem Jackett und warf einen Blick hinein. »Das Geld ist noch da«, sagte er.
»Da kommt ein Taxi«, sagte ich und winkte. »Können Sie allein nach Hause fahren?«
»Klar«, nickte er. »Meine Frau ist Kummer gewohnt. Die flickt mich schon wieder zurecht.«
Ich verabschiedete mich von ihm und kehrte in die Kneipe zurück. Die Knobler hatten mit dem Würfeln aufgehört. Sie saßen vor ihren Bieren und starrten nachdenklich in die Gläser. Die beiden Pärchen zahlten und brachen auf:
Ich schüttete den Doseninhalt in mein Glas und nahm einen Schluck. Der Wirt lehnte neben der Registrierkasse. Er hatte einen Arm in die Hüfte gestützt und trommelte mit seinen Fingern auf der viel zu stramm sitzenden Hose herum.
»Wer hat ihn verprügelt?« fragte ich gelassen.
»Ich sagte bereits, daß ich mich nicht um die Streitigkeiten anderer Leute kümmere«, meinte der Wirt.
»Es wäre Ihre Pflicht gewesen, dem Mann zu helfen. Er war Ihr Gast«, sagte ich.
»Die anderen waren auch meine Gäste«, meinte er. »Kann ich dafür, wenn sie sich vor den Toiletten prügeln? Das sind Dinge, um die ich mich nicht kümmere.«
»Wo sind die beiden Burschen jetzt?«
»Abgehauen. Sie gehören nicht in diese Gegend. Waren zum erstenmal hier — genau wie der Bursche, den Sie nach draußen geführt haben.«
Ich wußte, daß er log. Craig war verprügelt worden, weil er nach Fay Longines gefragt hatte. Ich beschloß, die Probe aufs Exempel zu machen.
»Waren schon viele Reporter hier?« fragte ich.
»Ach so«, meinte der Wirt. »Sie sind ein Zeitungsmann.«
»Ich weiß, daß Fay Merlin mal hier gewohnt hat«, sagte ich. »Kannten Sie die Puppe?«
»Schon möglich. Warum?«
»Mich interessiert die Story. Schließlich ist Fay .Merlin die einzige, die dem Krallenmörder lebend entkam.«
»Was hat das mit ihrem alten Zuhause zu tun?« wollte der Wirt wissen.
»Storys sind nur dann gut, wenn sie einen Hintergrund haben«, erklärte ich. Die Männer neben mir unternahmen keinen Versuch, sich an dem Gespräch zu beteiligen. Ich hatte das Gefühl, daß das Schweigen der Männer von hintergründiger Spannung war.
»Fay war ein Prachtkerl«, sagte der Wirt. »Das ist sie immer gewesen. Ein Mädchen, das nach oben gefallen ist, ohne deshalb ihre alten Freunde zu vergessen, die auf den unteren Sprossen der Erfolgsleiter zurückgeblieben sind.«
»Na, bitte, das ist doch schon etwas«, sagte ich. »Nennen Sie mir ein paar Beispiele.«
»Für welche Zeitung schreiben Sie?« fragte er.
In diesem Moment mischte sich einer der Männer ein. »Ich kann Ihnen einen Tip geben, Mister«, sagte er. »Sprechen Sie mit Ray. Der kann Ihnen alles über Fay sagen. Die beiden gehören zusammen. Ray und Fay. Das ist wie ein Markenzeichen, wissen Sie.«
»Wo finde ich diesen Ray?«
»Er wohnt bloß ein paar Häuser von hier entfernt«, sagte der Mann. »Im Haus 476. Wenn Sie Glück haben, ist er sogar zu Hause.«
Ich sah, daß sich die Halsmuskeln des Wirtes spannten. Ansonsten war
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