Jerry Cotton - 0581 - Ich und der Krallenmoerder
ihm keine Regung anzumerken. Er schenkte dem Sprecher nur einen kurzen, vernichtenden Blick.
»Wie lautet Rays voller Name?« fragte ich.
»Stokeley«, sagte der Mann. »Ray Stokeley.«
Ich bedankte mich, zahlte und ging. Das Haus 476 lag nur einen knappen Häuserblock von dem Lokal entfernt. Es war ein Neubau mit acht Etagen. Stokeley wohnte im zweiten Stockwerk. Ich zögerte, hinaufzugehen. Immerhin war es schon dreiundzwanzig Uhr.
In diesem Moment fielen die Schüsse.
***
Sie waren nicht einmal sonderlich laut. Ein geschultes Ohr erkannte sofort, daß bei der Schießerei zwei mit Geräuschdämpfern versehene Waffen verwendet wurden.
Die Knallerei fand in einer Kellergarage statt. Ich überlegte, ob es ratsam war, bis zu meinem Jaguar zu sprinten und die Polizei zu alarmieren. Ich verzichtete schließlich darauf, weil die vier oder fünf Minuten, die ich mich vom Ort des Geschehens entfernen mußte, einfach zu viel waren.
Die Einfahrt zur Kellergarage führte steil nach unten. Von der Straße her sah man nur die Kühlergrills von vier Wagen. Was sich dahinter befand, lag von oben gesehen im toten Winkel. Die Garage war durch ein paar Neonröhren erleuchtet.
Ich zögerte, die helle Einfahrt hinabzugehen. Vor den grellweißgetünchten Betonwänden bildete ich ein fabelhaftes Ziel. Ich hatte meinen Smith and Wesson nicht bei mir und war einem bewaffneten Gegner hoffungslos unterlegen.
Unten war es jetzt still, aber es war eine Stille vor dem Sturm.
Kurz darauf fielen zwei weitere Schüsse. Eine der Kugeln ratschte über das Blech eines Wagens und trudelte dann als Querschläger durch die Luft.
Ich dachte an den Lift. Bestimmt gab es einen Hauslift, der bis in die Kellergarage führte. Aber ich verspürte keine Lust, die Auffahrt zu verlassen. Mir war klar, daß der Sieger der Auseinandersetzung sie als Fluchtweg benutzen würde.
Es durfte jedoch keinen Siger geben. Es mußte mir gelingen, die Auseinandersetzung zu stoppen, noch ehe sie ein Opfer forderte.
Ich huschte die Rampe hinab. Die Kellergarage war mittelgroß. Sie bedeckte die gleiche Grundfläche wie das Haus und bot Platz für etwa dreißig Wagenboxen. An ihrem hinteren Ende erkannte ich den Lifteingang.
Ich sprintete zum vordersten Wagen und blieb hinter der Deckung stehen. In der Garage herrschte völlige Stille. Ich ließ mich auf den Boden nieder und peilte, flach auf dem Bauch liegend, unter den Fahrzeugen hindurch in die Runde.
Ich sah den Mann, der am hinteren Garagenende lag.
Er ruhte mit dem Gesicht nach unten und rührte sich nicht. Es gab keinen Zweifel, daß er ohnmächtig oder tot war. Fest stand, daß er sich weder vor seinem Gegner verbarg noch im Augenblick überhaupt wußte, wo der Gegner war.
Ich eilte nach hinten und stoppte abrupt, als ich den Mann erreicht hatte.
Ich war außerstande, sein Gesicht zu erkennen, das in der Beuge seines Ellenbogens ruhte. Er hatte ein Bein angezogen. Das Hosenbein war hochgerutscht und gab den Blick auf ein Paar dunkle Seidensocken und auf ein kräftig behaartes Männerbein frei. Noch stärker war dieser Haarwuchs auf den Handoberflächen des Mannes entwickelt. Dort erreichte er einen fast pelzartigen Charakter.
Ich bückte mich und griff nach dem Handgelenk des Mannes. Ich spürte keinen Pulsschlag.
Bruce Elkwood war tot.
***
Er trug denselben Anzug, den er in dem Bürohaus am Roosevelt Drive angehabt hatte. In seiner rechten Hand hielt er die Waffe, mit der ich von ihm im Office der Firma Tradex bedroht worden war.
Ich richtete mich auf.
Der Mörder war geflohen. Er hatte sich nur mit dem Lift absetzen können. Die Liftanzeige wies auf das Erdgeschoß.
Neben dem Lift hing ein Münztelefon. Ich ging darauf zu und wählte die Nummer der Mordkommission. Ich sagte, wer ich war, wo ich mich befand und was geschehen war. Dann legte ich auf.
Ich war noch immer mit dem Toten allein in der Garage. Offenbar hatte niemand im Haus die Schüsse gehört.
Ich opferte eine zweite Münze und rief meine Dienststelle an. Phil war nicht im Office, auch Mr. High war nicht zu erreichen, aber ich bekam meinen Kollegen Steve Dillaggio an die Strippe.
Ich erstattete ihm einen kurzen Bericht und bat ihn dann, für mich herauszufinden, welches Bankhaus von einem Mr. Baker geleitet wurde.
»Du kannst mir einen Gefalien tun, Steve«, sagte ich dann. »Sieh doch mal nach, ob wir etwas über einen gewissen Ray Stokeley in unserer Kartei haben. Ich rufe später noch einmal zurück. Bist du für morgen früh
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