Jerry Cotton - 0585 - Das Superding um Mitternacht
öfter welche.«
Er deutete auf die lange Reihe der roten Lagerhäuser, die sich hinter der Mauer herzog. Alle standen leer, alle waren zum Abbruch bestimmt.
Williams tippte dankend an seine Mütze. Unschlüssig trat er zur Seite. Sechs mächtige Gebäude lagen vor ihm. Die Zwischenmauern waren schon niedergerissen. Er sah prüfend zu den blinden Fenstern hoch. Langsam schlenderte er weiter. Scherben lagen überall herum, aber Lehm war zwischen dem Unkraut und dem Schotter nicht zu sehen.
Seufzend ging er um das Gebäude herum. An der Seite bemerkte er frische Reifenspuren, eng an der Hauswand. Langsam schritt er die Vorderfront ab. Aufmerksam prüfte er die lange Rampe. Er sah nichts Verdächtiges. Am Ende stieg er die wenigen Stufen zur Rampe hoch und rüttelte am ersten Tor. Es war geschlossen. Am zweiten hatte er mehr Glück. Der Riegel schien nicht richtig eingerastet zu sein. Quietschend glitt das schwere Tor zur Seite. Der Cop zwängte sich durch den engen Spalt.
Zuerst konnte er nichts erkennen. Er blinzelte, bis sich seine Augen an das fahle Licht gewöhnt hatten. Und dann sah er die großen Berge Lehm, die fast den ganzen Boden der Halle bedeckten. An einigen Stellen waren die Haufen an die sechs Fuß hoch.
***
In diesem Augenblick fuhr Eddy Martin in seinem schwarzen Falcon über die Front Street. An der Baustelle wurde immer noch gearbeitet.
Als er zwischen den beiden Lagerhäusern anhielt, atmete er erleichtert auf. Obwohl schwarze Falcon seine Lieblingswagen waren, fühlte er sich in diesem gar nicht mehr wohl. Irgendeinem Cop konnte die Zulassungsnummer auffallen, die zu einem Wagen in Bloomfield gehörte. Denn dem hatte er sie vor drei Wochen abmontiert, weil er sich nicht von seinem eigenen Wagen trennen wollte. Und mit den eigenen Nummernschildern zu fahren, war den anderen zu gefährlich gewesen.
Er stieg aus und angelte die zwei schweren Tüten vom Rücksitz. Sie enthielten die Verpflegung für die Männer im Tunnel für die letzten ein oder zwei Tage - in fester und flüssiger Form.
Er stieg die Stufen der Rampe hoch, machte einige Schritte und blieb dann wie angenagelt stehen. Ein Tor stand ein Stück offen. Leise und behutsam setzte Eddy Martin seine Tüten ab. Eng an die Wand gepreßt, schob er sich vorwärts, die rechte Hand an der Luger im Gürtel. Undeutlich gewahrte er eine große Gestalt, die mit dem Fuß auf der Falltür herumscharrte. Im schräg einfallenden Licht eines der Seitenfenster blitzte es auf der linken Brust des Mannes auf. Ein Cop!
***
Joey lag grübelnd auf dem Bett. An diesem Tag waren sie kaum vorangekommen, und das Ziel lag immer noch in weiter Ferne. Das Gewirr der Rohre und Kabel schien immer dichter zu werden, und die letzten zehn Yard erschienen ihm so lang wie ein U-Bahn-Tunnel unter dem East River. Jeden Moment mußte der Unbekannte anrufen. Bei dem Gedanken an die heisere Stimme brach Joey der Schweiß aus.
Ein leises Scharren an der Falltür schreckte ihn aus seinen Gedanken. Unwillig sah er zum Nebenbett, wo Marcel, der Franzose, laut schnarchte. »Eddy, bist du’s?« rief er. Schlagartig verstummte das Geräusch. »Eddy?«
Der Schuß ließ ihn zusammenfahren. Es klang gedämpft, aber die hohe Halle ließ den Knall dröhnend nachhallen. Er sprang hastig aus dem Bett. An der Tür polterte es dumpf. Dann knallte es noch einmal.
Joey stolperte die Stufen hoch und stemmte sich gegen die Tür. Raus hier, dachte er. Aber sie bewegte sich nicht, verzweifelt drückte er gegen das Holz. Plötzlich war das Gewicht weg, die Tür sprang auf und er blickte in die Augen des Killers, die ihn glitzernd anstarrten. Dann sah er die blaue Uniform und die leblose Gestalt darin. Sein Magen krampfte sich zusammen.
»Was hast du getan?« flüsterte er entsetzt.
»Der Cop schnüffelte hier rum. Was sollte ich tun, he?« fauchte Eddy Martin.
»Jetzt haben wir jeden verfluchten Bullen in ganz New York auf dem Hals. Wir müssen hier weg!« Er ließ die Tür los. Eddy Martin fing sie auf.
»Verlier bloß nicht die Nerven!« sagte er leise. »Dieser Cop hier hat nur ’ne Solonummer abgezogen. Von unserem Ding hat noch keiner ’ne Ahnung.«
»Das ist mir egal! Ich haue ab!«
Da schrillte das Telefon. In einem Gefühl der Panik wollte er den Apparat vom Tisch fegen.
»Heb ab!« schrie Eddy Martin von oben. »Mach schon!« Er hielt immer noch die schwere Luger in der Hand. Wie zufällig war die Mündung genau auf Joey gerichtet.
Zitternd griff er nach dem Hörer.
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