Jerry Cotton - 0587 - Der Club der grausamen Witwen
Hand auf die Tür des Wagens. Er wollte offenbar aussteigen, obgleich Eagle ihn dazu nicht aufgefordert hatte.
Der Mann mochte in Eagles Alter sein. Zwei-, dreiundzwanzig Jahre vielleicht. Schon als die Tür aufging, sah Eagle, daß der Mann schwarze Levis-Hosen trug. Da stimmt was nicht, schoß es Eagle durch den Kopf. Wer einen solchen Schlitten fährt, setzt sich nicht in Farmerhosen ins Büro. Unwillkürlich glitt seine Hand zum Griff seines Polizeirevolvers.
Jetzt schob sich der Oberkörper des Jungen vor. Er beugte sich weiter vor, als fürs Aussteigen erforderlich gewesen wäre. Dennoch wäre es dem jungen Patrolman vielleicht nicht aufgefallen, wenn ihn schon nicht die anderen Umstände mißtrauisch gemacht hätten. So sah er noch rechtzeitig, daß die rechte Hand des Jungen unter die kurze Lederjoppe griff.
Im Nu hielt Eagle seinen Revolver in der Hand. Und als sich der Junge aufrichtete und der kleine kurzläufige Colt in seiner Rechten zum Vorschein kam, da war er es, der erschrocken in Eagles Mündung blickte.
»Mach ja keine Dummheiten!« warnte Eagle. Seine Augen hatten sich zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. »Umdrehen, Hände aufs Wagendach und zurücktreten! Los, Tempo, Freundchen!«
Einen Augenblick sah es so aus, als wollte der junge Bursche Eagles Befehl nachkommen. Sein rechter Fuß und die Hüfte schwenkten schon dem Wagen zu. Dann aber riß er doch den rechten Arm vor.
Eagle war der Schnellere. Sein Finger krümmte sich. Es gab ein metallisches lautes Klicken. Aber es gab keinen Schuß. Großer Gott! schoß es Eagle durch den Kopf. Was ist mit dem verdammten Revolver? Auf seiner Stirn brach Schweiß aus, als er den Zeigefinger ein zweites Mal durchriß. Wieder klickte es.
Im gleichen Augenblick krachte es auch schon aus dem kurzläufigen Revolver. Aus zwei Schritt Entfernung schlug die Kugel in Eagles Brust. Erst die zweite traf sein Herz. Patrolman William Eagle, auf den Tag genau ein Jahr bei der City Police von New York, stürzte schwer zu Boden. Er war tot.
***
Ich hatte mir einen Löffel Pulverkaffee in eine Tasse getan und hüpfte gerade prustend unter der kalten Brause hin und her, die mich endgültig wach machen sollte, als im Wohnzimmer das Telefon klingelte. Ich drehte die Brause ab und schlüpfte in einen Bademantel. Das Schicksal sollte einem G-man morgens wenigstens seinen Schluck Kaffee gönnen, bevor es sich bemerkbar machte. Aber das Schicksal pfiff auf meine Wünsche.
Ich schlurfte barfuß ins Wohnzimmer. Aus der Küche kam das Pfeifen meines Dampfkessels.
»Himmel noch mal!« rief ich und verdrehte die Augen. Ich hastete in die Küche, zog den Kessel vom Elektroherd, schaltete die Schnellkochplatte aus, lief zurück ins Wohnzimmer, wo das Telefon schon wieder bimmelte, und riß ein wenig atemlos den Hörer hoch.
»Cotton«, knurrte ich in der Stimmung, in der man geneigt ist, das harmloseste Gegenüber für die Atombombe, den Teufel persönlich und die dauernd steigenden Preise verantwortlich zu machen. »Es war ungefähr halb vier, als ich ins Bett kam«, fügte ich drohend hinzu. »Jetzt ist es noch nicht einmal halb acht! Wer, zum Teufel, ist denn da?«
»Hier ist High«, sagte die ruhige, freundliche Stimme unseres Distriktchefs.
»Au verdammt«, rutschte es mir heraus. Dann hängte ich schnell eine Entschuldigung an: »Tut mir leid, Chef. Ich habe meinen Schluck Kaffee noch nicht gehabt. Und bevor ich den nicht kriege, bin ich meistens ein bißchen…«
»Schon gut, Jerry. Ich weiß ja, wie wenig Schlaf unsere Leute manchmal bekommen. Vor vier oder fünf Minuten wurde schon wieder ein Beamter vom 62. Revier erschossen. Ich weiß nicht, ob die beiden letzten Männer der Tiger-Gang dahinterstecken, aber es wäre möglich. Fahren Sie mit Phil zum Tatort und prüfen Sie diese Möglichkeit.«
»Okay, Chef.«
»Berichten Sie mir, sobald Sie definitiv sagen können, ob es die Kerle der Tiger-Gang waren oder nicht.«
»In Ordnung, Chef.«
»Tut mir leid, daß ich Sie so früh stören mußte, Jerry. Bis nachher.«
»Ja, Chef. So long.«
Ich ließ den Hörer sinken. Was das kalte Wasser der Dusche nicht geschafft hatte, hatte diese Nachricht bewirkt. Daß ein Cop ermordet wurde, genügte schon, um jeden anderen Polizisten in dieser Stadt mobil zu machen. Daß aber in einer einzigen Nacht gleich zwei Cops, und noch dazu vom selben Revier, ermordet wurden, das würde nicht ohne weitreichende Folgen abgehen. Ich lief in die Küche, goß das brühheiße Wasser
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