Jerry Cotton - 0588 - Sie hatten mich schon eingesargt
nickte: »Ich hatte gleich eine Ahnung. Daß sich aber gleich das FBI damit beschäftigen würde…?«
»Für uns ist es nur eine von vielen möglichen Spuren«, klärte ich ihn auf. »Jim ist seit heute mittag verschwunden. Zu Haus ist er nicht, seine Freunde wissen nichts von ihm, und da wir den bestimmten Verdacht haben, daß… Aber vielleicht erzählen Sie mir zunächst, was Jim wollte?«
»Da ist ein Haus in der Roland Street. Die Nummer… Hier habe ich den Zettel: 172. Bisher unbewohnt. Jetzt ist es wohl wieder bewohnt. Jim hat ein paarmal unsere Zeitung zu Werbezwecken abgegeben. Beim letztenmal schließlich muß ihn der Mann erwartet haben. Er hat die Tür auf gerissen und Jim nicht nur die Zeitung an den Kopf geworfen, sondern ihn die Treppe hinuntergeboxt, ihm das Fahrrad auf die Straße gestoßen und gesagt, daß er nicht noch einmal seine Nase in dieses Haus stecken solle. Es passiert zwar schon mal, daß jemand unser Blatt nicht haben will«, fuhr der Abonnementsleiter fort, »aber es ist noch nicht vorgekommen, daß jemand es in solcher Form geäußert hat. Der Mann soll übrigens eine Waffe in einer Schulterhalfter getragen haben, sagte Jim.«
»Das klingt recht merkwürdig«, gab ich zu.
»Warten Sie ab! Wir haben gewisse Verbindungen, um zu erfahren, wo jemand neu zuzieht. Schließlich müssen wir unsere Kundenkartei nicht nur in Ordnung halten, sondern auch möglichst vergrößern. Nun haben diese Verbindungen in diesem Fall versagt. Kein Mensch in der Gegend weiß, wie der Kerl heißt, der in dem Haus wohnt, was er tut, wer bei ihm ist… Er scheint nicht einmal irgendwo einzukaufen. Manchmal will jemand einen milchigweißen Chevrolet da halten gesehen haben, aber nie lange.«
»Danke«, sagte ich. Das Ganze konnte harmlos sein, aber abgesehen davon, daß es die einzige vorhandene Spur war, sagte mir mein Gefühl, daß vielleicht mehr dahintersteckte.
»Ich werde mich da einmal umsehen. Sollte Jim hier wieder auftauchen, geben Sie bitte sofort Nachricht an unsere Zentrale. Sie haben die Nummer?«
»Selbstverständlich«, nickten die beiden Gentlemen. Der Vertriebsleiter brachte mich im Lift hinunter; ich startete im Hof meinen Jaguar durch die gerade aufbrechenden Vertriebswagen hindurch und nahm das Mikrofon meines Funksprechgerätes aus der Halterung, als ich die freie Straße erreicht hatte.
»Cotton. Kann ich den Chef haben, Myrna?«
Unsere Telefonistin mit der rauchigen Stimme sagte: »Ich werde Helen fragen. Augenblick, Jerry!«
Wenig später kam Mr. Highs Stimme aus dem Lautsprecher.
»Was ist, Jerry, haben Sie eine Spur?«
»Vielleicht und mit viel Glück den allerersten Anfang davon, Chef. Gibt es bei Ihnen etwas Neues?«
»Leider nichts.«
»Ich fahre jetzt zur Roland Street 172. Da wohnt jemand, der in den letzten Tagen ohne jeden Grund mit dem Jungen übel umgesprungen ist und außerdem seine Identität ziemlich geheimhält. Ich melde mich, sobald ich mit dem Mann gesprochen habe. Ende.«
***
Das Haus war mindestens über siebzig Jahre alt und sah auch genauso aus. Links und rechts daneben standen wesentlich modernere und höhere Wohnhäuser. Ich parkte meinen auffälligen roten Jaguar einen Block weiter und schlenderte zurück zu dem Haus.
Es machte in den oberen Etagen einen wirklich uribewohnten Eindruck. Die Fenster waren blind; hinter einem hing ein halb heruntergerissenes Stück Gardine und wehte leicht in der Zugluft, die durch eine zerbrochene Scheibe drang. Im ersten Stock erwiesen sich die Fenster als sauber verschalt. Man sah das graugestrichene Holz erst, wenn man ganz nahe herantrat.
Die Tür war solide, wenn auch alt. Die zwei Sicherheitsschlösser allerdings hätte nicht nur ein Archäologe auf die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geschätzt.
Ich trat heran. Das Brett mit den Klingelknöpfen war abmontiert. Wer auch immer in diesem Haus wohnen würde — auf Besuch legte er sichtlich keinen Wert. Als ich mein Ohr an die Türfüllung legte, knackte etwas unter meinen Füßen. Aber das war wohl nur die alte und langsam locker gewordene Steinstufe gewesen. Oder?
Im Haus vernahm ich nichts. Stattdessen quäkte eine Stimme hinter mir: »Was machen Sie denn da, junger Mann?«
Ich fuhr herum und sah eine nette alte Dame, die mich interessiert betrachtete. Sie war nicht groß, schmächtig wie viele alte Damen. Dunkel gekleidet, dünn bebrillt und mit einem Handarbeitsbeutel versehen, den sie an sich gepreßt hielt.
»Ich möchte mal mit dem Mann
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