Jerry Cotton - 0588 - Sie hatten mich schon eingesargt
Hintergrund-Informationen. An einer Tafel wurden die letzten Börsenkurse aufgesteckt, dazu das übliche Durcheinander von Telefonen, Schreibmaschinen und einigen Fernschreibern, die in einem Verschlag unablässig ratterten und lange bedruckte Papierstreifen ausstießen.
In Mr. Launchleys Zimmer war es etwas ruhiger. Die Arbeit, in die er sich gestürzt hatte, schien ihn um Jahre verjüngt zu haben. Er sah auch keineswegs mehr so klein aus wie bei seinem Besuch am Morgen, und die Gebärde, mit der er mir einen Sessel anbot, war beinahe gebieterisch.
»Sie haben die letzten Notierungen gesehen?« fragte er mich.
»Nein«, schüttelte ich den Kopf. »Soweit geht mein Interesse an diesen Dingen denn doch nicht. Ich weiß aber, wie das Geschäft gelaufen ist, und Sie wissen es wohl auch. Natürlich schweigt sich die ehrsame Maklerschaft über den Mann aus, der hier mit ihrer Hilfe den großen Gewinn gemacht hat. Das ist verständlich.«
Launchley schüttelte den Kopf.
»Das ist sogar selbstverständlich. Von einem Makler, der einmal auch nur die Haarfarbe eines Auftraggebers ausgeplaudert hat, nimmt kein Hund mehr ein Stück Brot oder irgend etwas anderes. Der Mann wäre ruiniert und könnte fortan mit Schnürsenkeln handeln.«
»Und das Gewerbe liegt sowieso darnieder«, nickte ich. »Nun könnte ich mir aber denken, daß in der Branche bei einem solchen Fall das große Rätselraten anfängt, und dem werden dann gewisse Gerüchte folgen.«
Launchley wiegte seinen grauen Kopf.
»Das wird nicht ausbleiben.«
»Branchenkenner werden sich hinter der hohlen Hand Namen zuflüstern?«
»Auch das.«
»Wie wäre es dann, wenn mir der Branchenkenner Launchley schon jetzt einen Namen hinter der hohlen Hand zuflüstern würde?« sagte ich freundlich. Launchley wich vor mir zurück wie vor einer giftigen Schlange.
»Aber… Mr. Cotton! Erstens habe ich wirklich keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte, und dann könnte ich das genauso wenig tun wie jeder Makler! Ich wäre ruiniert!«
»Das waren Sie heute morgen angeblich schon einmal. Und Sie werden es endgültig sein, wenn der Fall nicht so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Die Leute, die heute sechs Millionen oder mehr verloren haben, werden sich bei ihren Zeitungen bitter über den falschen Tip beschweren, und die Zeitungen werden nicht vergessen haben, woher der falsche Tip kam. Ob mit Ihrer Schuld oder ohne sie. Wer steckt dahinter?«
Launchley dachte nach. Er steckte sich eine helle Zigarre an und wartete, bis sich vorn ein schöner spitzer Aschenkegel gebildet hatte.
»Gehen wir einmal davon aus, daß New York der Sitz des… Unternehmers ist«, begann er vorsichtig. »Unter den großen Spekulanten hat keiner so etwas nötig, weil es ihn für immer aus dem Geschäft werfen würde. Auch wenn nur gerüchtweise bekannt würde, daß er dahintersteckt. Nach meiner Ansicht war das der Coup eines Mannes, der sich halbwegs im Geschäft auskannte, nie viel erreicht hat und mit diesem Gewaltstreich für den Rest seiner Tage soviel erbeuten wollte, damit er in Florida oder vielleicht in Europa irgendwo ausruhen kann.«
»Das ist sehr logisch, Mr. Launchley. Wie viele von diesen Kandidaten für unseren Posten des Haupttäters vermuten Sie in New York?«
»Nicht mehr als zwei Dutzend«, sagte Launchley überzeugt.
»Deren Namen ich aber nicht aus Ihnen herausbekommen kann?«
»Deren Namen Sie aus mir nicht einmal herausprügeln könnten«, bestätigte er.
»Aber wenn ich den Täter beschreibe, würden Sie mir zu erkennen geben, daß er zu den zwei Dutzend gehört, ja?«
»Was soll das?«
»Es wäre doch schön, wenn Sie in Ihren nächsten Nachrichten vielleicht oder spätestens in den übernächsten die Story bringen könnten, wie man heutzutage einmal eine Börsennachricht gefälscht und lanciert hat…« Launchley dachte nach. Dann sagte er kurz: »Fangen Sie an!«
»Er ist 1,82 groß, wiegt 92 kg, dickleibig, plattfüßig, raucht wenige, aber gute Zigarren, zu hoher Blutdruck, dunkle Haare übrigens, meist schlecht rasiert, fast schäbiges Äußeres und goldene Manschettenknöpfe. Trinkt nicht, keine Frauen.«
Launchley sah mich unvermittelt an. »Warum kommen Sie noch zu mir, wenn Sie den Burschen haben?« fragte er böse. Ich setzte ein schiefes Lächeln auf.
»Ich habe ihn noch nicht. Etwas fehlt mir nämlich noch immer: sein Name.« Launchley stand auf.
»Ich weiß. Aber da kann ich Ihnen… kaum… helfen, lieber Freund«, sagte er, indem er die
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