Jerry Cotton - 0589 - Ein Toter stellt die Falle
Fond wurde Helen von Aiston bewacht.
Bessner startete den Motor und schaltete die Scheinwerfer ein. Dann drehte er sich um.
»Wie war das mit den 4000 Bucks?«
»Ihr könnt sie haben.« Helen spannte sich. »Als Preis für meine Freiheit.«
»Was meinst du, Mortimer?«
Das Frettchen grinste. »Ich denke, wir können es verantworten.« Er feixte. »Wem schadet die Puppe schon.«
»Das meine ich auch.« Bessner wandte sich wieder an Helen. »Also, wo steckt der Zaster?«
»In meinem Zimmer?«
»Wo ist das?«
»Im East End. Mehr sage ich nicht. Jedenfalls nicht, bevor ihr mich laufenlaßt.«
»Aber, aber! Das Risiko können wir doch nicht eingehen. Du gehst stiften, und dann stellt sich ’raus, in deiner Bude wartet nicht ein Cent. Nein, Puppe, so geht’s nicht. Ich mache dir ’nen Vorschlag. Wir fahren hin. Du gibst mir das Geld bar auf die Hand, und schon ist das Geschäft gelaufen. Allerdings«, fügte er hinzu, »gilt das nur für dich. Leeds muß dran glauben. Aber wie ich dich einschätze, Puppe, wirst du dich deswegen nicht in Tränen auflösen.«
»Bestimmt nicht.« Helen war plötzlich eiskalt. Die Angst wich. Was wirklich geschehen würde, stand klar vor ihren Augen: Bessner wollte sie ’reinlegen, das Geld kassieren und sie dennoch beseitigen. Aber jetzt bestand eine winzige Chance, zu entkommen.
Bessner legte den ersten Gang ein und löste die Handbremse. »Auf zum East End. Wohin dort?«
»Houston Street.«
Bessner fuhr schnell, beachtete aber jedes Verkehrszeichen und jede Ampel.
Leeds hing apathisch in seinem Sitz. Ihm war alles egal. Er hörte, was gesprochen wurde. Helen ließ ihn im Stich. Er hatte nichts anderes erwartet. Jetzt kam es darauf an, daß jeder die eigene Haut rettete. Helen hatte ihn schon einmal aufgegeben. Damals, als ihn die Polizei schnappte und er nach Sing-Sing kam. Eine Chance rechnete sich Leeds nicht mehr aus, weder für sich noch für Helen. Bessner und Aiston — das waren Killer, Profis, hartgeschmiedet während vieler Jahre in der New Yorker Unterwelt. War Helen wirklich so dumm, diesem Bessner zu glauben? Der wollte nur das Geld, dachte aber nicht daran, sie dann laufenzulassen.
Der Buick rollte über die Quinsboro Bridge. Manhattans Lichtermeer grüßte herüber.
Helen knetete ihre Finger. Sie fror, und sie wußte, daß Angst ihr die Kälte über die Haut trieb.
Bessner fuhr bis zur zweiten Avenue und folgte ihr in südlicher Richtung. In Höhe der 40. Straße sahen sie einen Streifenwagen. Aber er bog ab.
Aiston wurde nervös. »Sind 4000 Dollar das wert, Sam? Wenn wir in eine Kontrolle geraten… Was dann? Wohin sollen wir überhaupt? Ich meiner Wie hat sich der Boß das vorgestellt?«
»Unser Ziel heißt Hell Gate.«
»So ein Dreck! Dann müssen wir ja den ganzen Weg zurück.«
»Na und?« Bessner grinste. »Was willst du denn? Ist doch ’ne herrliche Nacht. Wie geschaffen für ’ne Spazierfahrt.«
Sie erreichten die Houston Street. »Links oder rechts?« fragte Bessner. »Links, bis zur Ecke Essex Street.«
»In welchem Haus?«
Helen richtete sich auf. »Ich glaube, jetzt ist es an der Zeit, daß ihr auf meine Bedingung eingeht. Ich verlange, daß ich auf mein Zimmer gehen und dort bleiben darf. Dann rücke ich das Geld ’raus. Eher nicht.«
Bessner ließ den Wagen im Leerlauf rollen. »Soll mir recht sein. Mortimer, du wartest hier mit Leeds. Wir — eh — ich bin gleich zurück.«
Er lenkte den Buick in eine Parklücke und trat auf die Bremse. Jimmy’s Absteige lag auf der anderen Seite, etwa 20 Schritt die Straße hinauf. In der Houston Street herrschte ziemlich viel Betrieb. Helen sah sich um. Aber sie entdeckte keinen Polizisten und auch den dicken Schokoladenfabrikanten nicht, dem sie heute morgen so übel mitgespielt hatte.
Bessner stieg aus. Er öffnete Helen den Schlag, aber nicht aus Höflichkeit, sondern um sofort zupacken zu können, falls sie fliehen wollte.
Helen preßte die Hände an die Wangen. Sie waren leicht geschwollen und glühten. Sie schwang die Beine ins Freie und trat auf den Gehsteig. Bessner schob seine Hand unter ihren linken Arm.
»So, Puppe. Nun führe mich hin!«
Sie sah die Hinterhältigkeit in seinen Augen und wußte, was er vorhatte. Sobald er das Geld besaß, würde er sie zwingen, mit ihm zum Wagen zurückzugehen. Oder, falls sie ungesehen hinaufkamen, würde er sie in ihrem Zimmer umbringen.
Einträchtig wie ein Pärchen nach dem Abendbummel überquerten sie die Straße. Es war schwül.
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